Ein Mann zum Abheben
anhalte, sperrt die Sprechstundenhilfe die Tür auf. Der Arzt ist noch nicht da, aber das junge Mädchen, das wie so viele Tierarzthelferinnen nett und ländlich wirkt, sieht, wie ich mich mit dem blutigen Handtuch auf den Armen aus meinem Auto kämpfe. »O Mrs Bearden, das sieht nicht gut aus.«
Sie nimmt mir Pascal ab, erfasst mit einem Blick die Lage und schiebt sich durch die Tür. Sie hält geradewegs auf eines
der Sprechzimmer zu und muss ihn auf einen Untersuchungstisch gelegt haben, denn sie ist sofort zurück. Ich hebe fragend die Augenbrauen, und sie nickt. Tot, ja, ganz und gar tot. Sie fragt mich, ob ich ihn verbrennen lassen will und, noch immer sprachlos, nicke ich. Obwohl auf einem Schild an der Theke »Barzahlung sofort nach Behandlung« zu lesen ist, besteht sie darauf, mir eine Rechnung zu schicken.
»Es tut mir leid«, sagt sie, und es klingt, als würde sie es auch so meinen, obwohl sie hier jeden Tag mit so etwas zu tun hat. »Wollen Sie Ihr Handtuch zurückhaben?« Ich verstehe ihre Frage offenbar nicht. Als würde sie Französisch sprechen. Ich schüttle den Kopf. Sie sagt irgendetwas wie, ob ich nicht nach hinten kommen und mich hinlegen möchte und ob sie vielleicht jemanden anrufen soll, der mich nach Hause fährt. Vermutlich bin ich sehr blass. Ich fühle mich blass. Wieder schüttle ich den Kopf, und sie lässt mich gehen. Sie hält mir sogar die Tür auf. Natürlich will sie mich so schnell wie möglich aus dem Eingangsbereich weghaben, bevor ihre ersten regulären Kunden in Geschäftskleidung oder Trainingsklamotten auftauchen und Max oder Ridley zum Impfen vorbeibringen. Ich stehe in meinem Nachthemd vor dem Rezeptionstisch, Brüste und Arme blutverschmiert, und sehe wie ein früh aufgestandener Todesengel aus.
Sie behält das Handtuch. Ich fahre nach Hause.
Phil hat offenbar Tory aufgeweckt, angezogen und zur Schule geschickt. Auf der Theke steht eine offene Milchtüte. Ich gehe hinein und werfe meine Handtasche auf den Holzboden, nehme die Fernbedienung und schalte den Fernseher ein.
Ich schaue mich im Haus um, stelle fest, dass es ein hübsches Haus ist. Ich sehe den Kaminsims, der offensichtlich
maßangefertigt wurde, und die Sammlung von Töpfen, die darunter auf dem Kaminboden steht. Jemand hat viel Zeit darauf verwendet, sie schön zu arrangieren. Der kleinste ist kunstvoll in Kippstellung ausbalanciert, so dass es aussieht, als würde etwas herausschwappen. In einem Weidenkorb neben dem Fernseher liegen Videospiele und DVDs. Hier lebt ein Kind, der Menge an Prinzessinnengeschichten nach zu urteilen, ist es höchstwahrscheinlich ein Mädchen. Neben einem Ledersessel liegt ein Stapel Bücher. Ein Mann, der liest … ein Mann, der Geschichtsbücher liest … ein Mann, dessen besonderes Interesse der Amerikanischen Revolution gilt. In der Spüle befindet sich ein bisschen Geschirr, auf der Küchentheke liegt eine ausgebreitete Zeitung, neben der Hintertür ein Haufen Tennisschuhe. Ein bisschen unordentlich, aber nicht wirklich dreckig. Jemand putzt dieses Haus regelmäßig.
Ich gehe den Flur hinunter und halte mich an den Wänden fest, ein wenig erwarte ich, dass sie unter meinen Handflächen nachgeben, ein wenig erwarte ich, dass sie zusammenbrechen und unter dem Druck meiner Hände in sich zusammenfallen wie Wände in einem Film. Aber das Haus hält stand. Ich gehe in den Garten hinaus, um Garcia zu rufen, sehe sie aber nirgends und frage mich, ob das, was Pascal umgebracht hat, auch sie erwischt hat.
Schließlich gehe ich wieder zurück auf die Veranda, rolle den Schlauch ab und fange an, den Beweis für die enorme Anstrengung wegzuwaschen, die es Pascal gekostet haben muss, auf seiner eigenen Türschwelle zu sterben. Die blutigen Pfotenabdrücke in der Nähe der Hintertür sind richtig schön, wie Blumen, schon bald weichen sie allerdings dem brachialen roten Schmierfleck, der größer und größer wird, bis er an der Glastür endet. Ich lasse den Schlauch laufen, bis die ganze Veranda trieft, dann ziehe ich mein Nachthemd
aus, werfe es in die Abfalltonne und gehe unter die Dusche.
Anschließend, noch mit nassen Haaren, fahre ich zur Bank. Sie kennen mich dort. Sie wissen, dass ich normalerweise nicht stumm bin. Wie bei einem Raubüberfall schiebe ich der Bankangestellten einen Zettel über die Theke hin, auf dem ich sie darüber informiere, dass ich ein neues Tresorfach anmieten und ein neues Girokonto eröffnen will. Sie nimmt mich mit in den Tresorraum, und ich
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