Ein Mann zum Abheben
herausschlägt und auf der Rückseite ihres Hauses einen Wintergarten anbaut. »Ich bin so stolz auf sie«, sagte Nancy, und während ich meinen Kaffee austrinke und Garcia gegen ihren Willen auf meinen Schoß setze, muss ich an Belindas Mutter dort unten in
Alabama in der Wohnwagensiedlung denken, die ein Bild von Belindas rotem Ziegelhaus an ihrer Kühlschranktür hängen hat.
»Sie hat mir erzählt«, sagte Belinda einmal grimmig, »dass du das Spiel, das du gewonnen hast, lieben lernen musst. Meinst du, dass das wirklich stimmt? Dass keine von uns jemals glücklich sein wird, bis wir lernen, das Spiel, das wir gewonnen haben, zu lieben?«
Als ich an diesem Nachmittag nach meiner Post sehe, ist meine Postkarte endlich da. Vorne ist ein Foto mit Mayaruinen abgebildet. Die Postkarte ist umgeknickt und ramponiert. Sie sieht aus, als wäre sie von Belize über Guam nach North Carolina gekommen, und ich frage mich, ob Lynn sie als Letzte geschrieben hat, weil sie nicht so recht wusste, was sie mir schreiben sollte. Vielleicht hat sie die Karte tagelang in ihrer Handtasche herumgetragen und mit sich gekämpft, ob sie es wert ist, abgeschickt zu werden. Vielleicht hat sie sie aber auch alle zusammen geschrieben, an der Poolbar, mit einem Fruchtcocktail neben sich, und meine war schlicht und einfach die Nachricht, die sonderbarerweise vom Weg abgekommen ist.
Mit der Karte oben auf dem Stapel Post gehe ich die Auffahrt hinauf, trage sie ins Haus und stelle sie auf die Küchentheke. Dort bleibt sie ein paar Stunden, während ich zwischen dem Haus und dem Atelier hin und her gehe, während ich das Hühnchen zum Auftauen herausnehme, während ich hereinkomme, um meine Schlüssel für den nachmittäglichen Fahrdienst zu holen. Erst als ich mit dem Kochen fürs Abendessen anfange, nehme ich sie wieder zur Hand.
Die Ruine ist dunkel und imposant. Der Mann, der ganz oben steht, sieht so klein aus wie ein Splitter, gegen den
strahlend blauen Himmel ist er kaum als menschliches Wesen zu erkennen. Ich drehe die Karte in meinen Händen hin und her, bis die Schrift auf der Rückseite, Lynns mit dicker schwarzer Tinte geschriebene ordentliche und abgerundete Buchstaben, vor meinen Augen verschwimmt. Was immer Lynn gesehen hat, ich muss es auf meine eigene Weise sehen. Was immer sie weiß, ich muss es selbst herausfinden. Ich werfe die Postkarte in den Müll und fange an, in der Spüle den Salat zu waschen.
Kapitel 39
»Alle reden über uns«, behauptet Phil.
Eigentlich reden alle über Lynn. Wir wurden von Seite eins vertrieben, aber es hat keinen Sinn, das Phil zu erklären. »Und wenn sie das tun, wer ist schuld daran?«
Phil macht ein nachdenkliches Gesicht. »Ich erzähle absolut niemandem davon.«
»Komm schon. Ich weiß, dass du mit Nancy telefonierst und sie im Grunde bittest, mich auszuspionieren. Und dann diese ganzen sogenannten Eheberatungssitzungen. Ich wette darauf, wir sind kaum aus Jeffs Büro raus, und schon greift er zum Telefonhörer. Jede Wette, dass er jedes Mal, wenn wir da waren, Nancy danach angerufen hat, um ihr haarklein zu erzählen, was wir alles gesagt haben. Wir reden mit ihm, er redet mit ihr, sie redet mit allen anderen, und ich gehe mit meinen Freundinnen zum Mittagessen und stehe da wie ein Idiot. Es kotzt mich an. Diese ganze Situation ist zum Kotzen.«
Einen Moment lang wirkt Phil schuldbewusst, ein Ausdruck, der nur selten auf seinem Gesicht zu finden ist. »Du meinst, wir sollen uns eine andere Beratung suchen? Jemanden, den wir nicht kennen? Ich könnte ein paar anrufen.«
Wunderbar. Drei Jahre lang habe ich ihn angebettelt, dass wir in eine Eheberatung gehen, und jetzt, so ganz urplötzlich,
kommt ihm die Idee. Er steht vor mir, ganz der besorgte Ehemann, brennend daran interessiert, alles nur Erdenkliche zu unternehmen. Vermutlich sollte ich mich damit trösten, dass ich ihn für seine zweite Ehefrau schon bestens vorbereitet habe. Aber für uns - für uns ist es zu spät, um sich auch nur Gedanken darüber zu machen, warum es zu spät ist. Ich schüttle den Kopf. »Ich weiß nicht, warum wir überhaupt in die Beratung gehen.«
»Du willst aufhören.«
»Phil, wir haben bereits aufgehört.«
»Jeff hat mich heute Nachmittag angerufen und einen Vorschlag gemacht. Ich glaube, wir haben ihn mit dem ganzen Zeug von der Katze wirklich beunruhigt. Egal, er hat gesagt, dass Nancy auch an unseren Sitzungen teilnehmen könnte, wenn es dich trösten würde. Damit du nicht das Gefühl
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