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Ein Mann zum Abheben

Ein Mann zum Abheben

Titel: Ein Mann zum Abheben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wright
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alles in Ordnung ist. Wir machen es uns wieder auf unseren Stühlen bequem. Es ist ein herrlicher Herbsttag, einer von diesen Indian-Summer-Tagen, für die Carolina berühmt ist, und wir sitzen einen Augenblick lang in einvernehmlichem Schweigen da. Der Sportplatz ist mit Kindern übersät, und die Schule hat eine Hüpfburg angemietet, in der sie herumtoben können. Eine Maschine stellt Schmalzgebäck her, und ein Clown dreht Luftballons zu Figuren. Kelly summt in einem so tiefen Ton vor sich hin, dass es klingt, als würde sie schnuren. Ich strecke meine Beine aus und schließe halb meine Augen.
    Einer der Väter kommt vorbei, ein Mann, den ich beim Sportverein gesehen habe. Er erzählt mir, dass er ein Softballteam für Mädchen bildet und Tory gerne im Trainingscamp dabei hätte. »Sie ist schnell«, sagt er. Er hat sie eben beim 400-Meter-Lauf gesehen und sich gedacht: »Das kleine Bearden-Mädchen ist schnell.«
    Ich muss irgendwie komisch geschlafen haben letzte Nacht, denn wenn ich hochsehe, fühlt es sich an, als würde mein ganzer Kopf gleich abknicken. Ich setze mich zurecht und sage ihm, dass ich durcheinander wäre. Spielt man Softball nicht im Frühling? Doch er wirft ein, dass die Mädchen, wenn sie wettbewerbsfähig sein wollen, jetzt mit der Vorbereitung anfangen müssen. Und dann sagt er noch
etwas über Torys »Sportlerkarriere«, das mich fast zum Lachen bringt. Sie ist generell zu jung für Softball, aber es hat wohl keinen Sinn, darüber zu diskutieren. Phils Ego wird davon begeistert sein. Wenn er hört, dass ein Trainer versucht, seine Tochter anzuwerben, lässt er alles stehen und liegen, um sie zum Training zu bringen, selbst wenn das bedeuten würde, dass er jede Verabredung in seinem Terminkalender absagen müsste.
    »In Ordnung, ich sage es ihrem Vater.« Der Trainer tippt kurz an seine Kappe und geht.
    »Habt ihr das gehört?«, sage ich, sobald er außer Hörweite ist. »Er behauptet von einer Siebenjährigen, sie hätte eine Sportlerkarriere vor sich. Diese Leute sind verrückt.«
    »Sie ist wirklich schnell«, sagt Kelly. »Manchmal frage ich mich, ob du das überhaupt siehst.«
    »Denk dran, Jeff will helfen«, wirft Nancy ein. »Er gibt sich die Schuld an dem, was zwischen Lynn und Andy passiert ist.«
    »Das hat keiner kommen sehen«, bemerkt Kelly.
    »Das habe ich ihm auch gesagt.« Nancy seufzt. »Aber jetzt hat er das Gefühl, er müsste …« Sie muss diesen Gedanken nicht vollenden. Wir wissen alle, dass Jeff Lynn angestellt hat, als sie einen Job brauchte, bei dem sie eine Krankenversicherung erhält und trotzdem noch an der Bushaltestelle sein kann, wenn ihre Kinder aus der Schule nach Hause kommen. Bis er sie beantragt hat, gab es noch gar keine Stelle mit dem Titel »Leitende Angestellte für Außenanlagen und Instandhaltung«, und ich bezweifle, dass irgendwer außer Jeff und Lynn einem genau erklären kann, welche Aufgabenbereiche sie umfasst. Doch der Kirchengemeinderat hat der Finanzierung dieser Stelle zugestimmt und sie vom Fleck weg eingestellt. Seit dem Tag, an dem ihr Mann das Haus verließ, prägt Mitleid mit Lynn unsere kollektive
Selbstgefälligkeit. Vermutlich befinden sich in der Tüte, in der Kelly das Rugby-Shirt für Tory hat, auch noch zwei weitere Shirts für Lynns Jungen, die sie kaum kennt. Ihre Mutter kann nicht zum Leichtathletiktag kommen, weshalb Kelly ihnen ein Geschenk mitbringt.
    »Ich bin davon überzeugt, dass Jeff ein hervorragender Eheberater ist«, sage ich. »Ich möchte einfach nur nicht mit jemanden sprechen, den ich privat kenne.«
    »Genau«, sagt Kelly. »Falls sich herausstellt, dass das Problem im Schlafzimmer liegt.« Ich bin froh, dass ich ihre Augen unter der Baseballkappe nicht sehen kann. Das ist das Einzige, was mich davon abhält, laut loszuprusten.
    »Hast du schon mal daran gedacht, es … interessanter zu gestalten?« Nancy rutscht mit ihrem Stuhl ein paar Zentimeter näher an meinen. »Denn manchmal muss man das tun.«
    »Phil mag nicht, dass etwas interessant ist. Er ist restlos mit dem momentanen Zustand zufrieden, das weißt du genauso gut wie ich. Ich bin das Problem.«
    »Du könntest ein Verhältnis eingehen«, schlägt Kelly vor.
    Mein Körper zuckt zusammen. Ich tue so, als würde ich ein Insekt verscheuchen. Gerrys Visitenkarte liegt seit drei Wochen in meiner Handtasche, in der Seitentasche, in der ich meine Schlüssel aufbewahre, so dass ich sie mehrmals am Tag sehe und berühre. Manchmal nehme ich sie heraus

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