Ein Mann zum Abheben
eine Minute, um zu überlegen, von wem sie spricht. »Er geht nicht einmal hier in die Kirche, seine Frau
und die Kinder dagegen schon, sie kommen allerdings nur zu Weihnachten. Warum bekommt er drei verdammte Kasserollen?«
»Ich nehme an, er befindet sich in einer Notsituation.«
»Wie viele bringen sie seiner Frau?«
Belinda scheint meine Frage zu verwirren. »Sie hat ihn verlassen, Elyse. Sie ist auf und davon gelaufen.«
Bei meiner Ankunft sitzt Phil bereits in Jeffs Büro und hat sich die Zeit genommen, seine weiße Arztkleidung gegen Jeans zu tauschen. »Du siehst gut aus«, sage ich. »Hast du die Jeans mit zur Arbeit genommen?«
»Offenbar.«
Okay. Es wird also einer von diesen Tagen.
Jeff kommt herein, fragt, was wir vom Wetter halten. Er scheint auf Smalltalk eingestellt zu sein, um uns eine vielleicht peinliche Situation zu erleichtern, doch Phil hat offensichtlich für den Nachmittag eine Operation angesetzt.
»Sie ist nicht glücklich«, sagt er.
Sollte Jeff überrascht sein, erholt er sich schnell. »Stimmt das, Elyse?«
»Ich bin in der Ehe nicht glücklich, so weit entspricht das der Wahrheit. Aber manchmal bin ich glücklich. Ich bin glücklich, wenn ich mit Tory zusammen bin oder wenn ich töpfere oder wenn ich alleine draußen bin …«
Jeff winkt mit der Hand, als möchte er meine Worte in der Luft ausradieren. »Ich verstehe nicht, was du sagen willst.«
Ich lege die Stirn in Falten. » Ich verstehe nicht, was du sagen willst.«
»Du hast eine seltsame Art, über unsere Ehe zu sprechen. Du sagst >in der Ehe‹ oder ›wenn ich alleine draußen bin‹, als würde es eine Tür geben, durch die du ein und aus gehst.«
»Vielleicht ist es so.«
»Machst du Witze? Du bist immer verheiratet. Du bist jeden Tag verheiratet, jede Sekunde, ob Phil neben dir steht oder nicht.«
»In Ordnung, dann sage ich’s deutlicher. Erinnerst du dich an die Predigt, die du vor ein paar Monaten über Dankbarkeit gehalten hast? Du hast gesagt, wir sollen aufschreiben, wann wir uns in letzter Zeit gefreut haben, und das habe ich tatsächlich gemacht. Ich bin nach Hause gegangen und habe die letzten zehn Situationen aufgeschrieben, in denen ich glücklich war. Du hast Recht gehabt, allein schon, dass ich sie auf dem Papier vor mir hatte, hat mir ein gutes Gefühl gegeben. Ich dachte: ›Na gut, ich motze eine Menge, aber wenn es darauf ankommt, habe ich ein ziemlich tolles Leben.‹«
»Schön zu wissen, dass da unten wirklich jemand zuhört.«
»Ja, das Problem ist nur, dass da unten wirklich auch jemand mitdenkt. Denn als ich mir die Liste angesehen habe, ist mir aufgefallen, dass es bei allen zehn glücklichen Situationen einen gemeinsamen Nenner gegeben hat. Phil war nicht dabei.«
Während ich das sage, schaue ich zu Phil hinüber. Ich möchte ihn nicht verletzen, und hätte er jemals so etwas gesagt, hätte es mich verletzt. Er sieht aber nicht traurig aus, sondern nur verärgert.
Jeff setzt sich in seinem Stuhl zurück, seine Finger sind verschränkt, und er schaut über die schwarze Einfassung seiner dicken Brillengläser. Diese Pose müssen sie ihm im Seminar für Eheberater beigebracht haben. »Was glaubst du, dass das bedeutet?«
»Das bedeutet, dass ich glücklich sein kann. Ich bin fähig dazu. Ich habe die Fähigkeit, mich zu freuen …«
»Nur so lange ich nicht da bin«, wirft Phil ein.
Jeff wendet sich an ihn. »Geht es dir genauso, Phil? So als hängt deine Fähigkeit, glücklich zu sein, davon ab, ob Elyse anwesend ist oder nicht?«
Phil lächelt selbstzufrieden. »Ich empfinde immer dasselbe, ob sie da ist oder nicht.«
Mein Gott, selbst ich weiß, dass das die falsche Antwort ist.
Jeff lässt es so stehen und dreht seinen Stuhl wieder mir zu.
»In Ordnung, Elyse besitzt also die Fähigkeit, sich zu freuen. Schauen wir uns das genauer an. Erzähl mir, wann du das letzte Mal glücklich warst.«
Ich beschließe, ihm vom vorletzten Glücksmoment zu erzählen.
Es ist noch nicht lange her. Zwei Tage bevor ich Gerry traf, und zwar auf der Kunstausstellung in Phoenix. Einige der Aussteller gingen zusammen zum Abendessen und luden mich ein mitzukommen, aber mir war nicht danach. Ich hatte so viel mit Kunden und angehenden Käufern gesprochen, dass ich heiser war. Ich überlegte mir, den Zimmerservice zu bestellen, aber in letzter Minute entschied ich mich anders: Ich wollte irgendwohin gehen, wo es einfach wahnsinnig toll war. Ich kehrte ins Hotelzimmer zurück, duschte, zog
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