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Ein Mann zum Abheben

Ein Mann zum Abheben

Titel: Ein Mann zum Abheben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wright
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ein hübsches Kleid an und warf den Schal um, den ich mir vor Jahren in Florenz gekauft hatte. Er sieht wirklich wunderschön aus. Dann ging ich in das Restaurant, das der Hotelportier mir empfohlen hatte.
    »Du bist allein ausgegangen?«
    »Ja.«
    »Das ist interessant. Manche Frauen fühlen sich unbehaglich, wenn sie allein ein Restaurant besuchen.«
    »Es gibt nichts daran auszusetzen, wenn eine Frau allein zum Essen geht«, sage ich. Das Ganze hier lässt sich großartig
an. Am Sonntag wird er wahrscheinlich auf der Kanzel stehen und allen verkünden, dass ich eine Erotomanin bin.
    »Ja, ich glaube, dass das eine gute Sache ist«, antwortet er. »Erzähl mir mehr darüber.«
    Es war eine wundervolle Nacht. Die Wände des Restaurants waren alle mit Spiegeln ausgestattet. Ich setzte mich an die Bar und bestellte Gänseleberpastete, Rucolasalat und einen Wein mit einem herrlichen Namen - Covenant of the Moon oder so ähnlich, aber vielleicht täuscht mich an dieser Stelle meine Erinnerung. Ich saß ganz allein und beobachtete mich beim Essen. Meine Haare hatte ich geglättet, ich trug meine Lieblingsohrringe und natürlich den Schal. Ich schaute in den Spiegel des Restaurants und fand, dass ich hübsch bin. Na ja, ›hübsch‹ ist nicht ganz das richtige Wort, eher wichtig. Ich fand, dass ich wie eine Person aussah, die wichtig war. Normalerweise ziehe ich ein Buch heraus, wenn ich allein in einem Restaurant bin, das tat ich jetzt nicht. Ich aß einfach nur sehr langsam und schaute mein Spiegelbild an, irgendwann schaute ich mir auch die Blumen an. Auf jedem Tisch standen drei Blüten - weiß, gelb und orangefarben -, die Vasen waren so geformt, dass alle drei Blumen in verschiedene Richtungen fielen. Die Messingarmaturen der Bar waren erst vor kurzem poliert worden, und mir fiel auf, dass jemand winzige goldene Sterne auf die tiefrote Decke über mir gemalt hatte. Aber vor allem hatten es mir die Spiegel angetan, es gab so viele, dass ich direkt in ein weiteres Bild von mir lief, als ich auf den vermeintlichen Ausgang zuging.
    »Was hat dich daran glücklich gemacht?«, wollte Phil wissen. »Dass du gut ausgesehen hast?« Armer Phil. Die Tatsache, dass ich zu Hause in Cargohosen herumschlurfe, mich aber schick anziehe, wenn ich aus der Stadt weg bin, muss ihn ärgern.

    »Nein«, wirft Jeff ein, der mich manchmal überrascht. »Du warst glücklich, weil du dir einfach einen Augenblick geschenkt hast und dasaßt und für alles offen warst.«
    »Ja, ich war offen. Und ich wurde gesehen. Ich möchte gesehen werden.«
    »Ich sehe dich«, sagt Phil, und ich schwöre, dass er versucht hat, einen heimlichen Blick auf seine Uhr zu werfen.
    »Ich meine, richtig gesehen. Ich bin immer dann glücklich, wenn ich wahrgenommen werde, selbst wenn nur ich es bin, die mich wahrnimmt.«
    »Du musst nicht in einem Restaurant in Phoenix sitzen, um dich so zu fühlen«, sagt Jeff. »Es gibt Möglichkeiten, die dieses Gefühl auch in deinem Alltagsleben wecken.«
    »Oh ja, das ist eine wundervolle Idee«, kommt von Phil. »Wir gehen nach Hause, bedecken alle Wände mit Spiegeln, damit sie sich wie Ludwig in Versailles kommen und gehen sieht. Macht sie das glücklich?«
    Jeff blinzelt und wendet sich ab, als wäre er empört. Diese Seite von Phil kennt er nicht.
    »Ich möchte, dass du mich siehst«, sage ich, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass das inzwischen nicht mehr der Wahrheit entspricht.
     
    Heute Abend, während einer Werbepause, fragt mich Phil: »Wann willst du ins Bett gehen?«
    Das ist sein Signal, er will Sex haben, und das Verrückte ist, dass ich auch Sex haben will. Gerry hat nicht zurückgerufen. Mir ist klar, dass es erst zwei Tage her ist, aber die Vorfreude liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Enttäuschung, und das alles hat mich ausgelaugt. Nachmittags gegen vier hat das Telefon geklingelt, und als ich abgenommen habe, hat sich am anderen Ende niemand gemeldet. Einen Augenblick lang hätte ich fast »Gerry?« gesagt,
aber das wäre natürlich dämlich gewesen. Vielleicht ist es ja auch das Beste, wenn er mich nicht zurückruft, weil ich für ein Verhältnis zu dämlich bin. Dämlich, dämlich, dämlich.
    »Um zehn«, antworte ich. Wenn ich sage, dass ich früh ins Bett gehe, ist das mein Signal, dass es diese Nacht okay ist. Er grinst, und ich erinnere mich für eine Sekunde daran, wie bezaubert ich einmal von seiner Jungenhaftigkeit war, seiner Schlaksigkeit, seinen wirren Haaren und seinem blauen

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