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Ein Mann zum Abheben

Ein Mann zum Abheben

Titel: Ein Mann zum Abheben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wright
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versuche den Mann mit der Kraft meiner Gedanken dazu zu bewegen herüberzusehen. Vielleicht bemerkt er mich ja über diese breite Kluft hinweg, und wenn er es tut - so überlege ich mir -, blende ich ihn, lasse meinen Bademantel fallen oder signalisiere ihm vielleicht mit meinen Fingern meine Zimmernummer, auf alle Fälle werde ich irgendetwas Schamloses machen. Es gibt so wenige Tage, an denen ich allein bin. Einen Moment lang frage ich mich, was passieren würde, wenn Gerry nicht auftaucht. Heute habe ich noch nicht mit ihm gesprochen. Es ist durchaus möglich, dass er derjenige ist, den in letzter Minute Panik überfällt, der Gewissensbisse kriegt oder zur Vernunft kommt. Der Mann beugt sich weiterhin über seinen Schreibtisch, als würde er beten. Erst als ich aufgebe und mich von der Scheibe löse, wandert mein Blick weiter und ich entdecke drei Stockwerke weiter oben einen anderen Mann. Er steht wie ich am Fenster, starrt auf mich herunter und lächelt. Erschrocken springe ich zurück.
    Gerry wird morgen gegen 10 Uhr im Hotel ankommen. Mein bestes Kostüm, mein einziges Armani, ist bei diesem Wetter total falsch, aber es baumelt am Duschkopf, um sich auszuhängen, falls wir irgendwo schön zu Abend essen. Hier gibt es überall Männer, in der ganzen Stadt, die aus Bürofenstern oder sogar von noch weiter oben herunterschauen, abgehoben in der Luft, in Flugzeugen kreisend, auf dem Weg zu Frauen wie mir. Frauen, die ihre Eheringe ausziehen, Frauen mit breiten roten Mündern, die alleine in Zimmern warten, in denen es dunkel wird, und Gin trinken. Ich lege mich ins Bett und ziehe die graue Daunendecke
über mich. Ich liege betrunken und allein in einem gemieteten Bett. Hier kennt mich keiner, und zu Hause weiß keiner genau, wo ich mich aufhalte, wo ich bin, und einigermaßen unlogisch denke ich, dass das die glücklichste Nacht meines Lebens ist.

Kapitel 14
    Als er am nächsten Morgen an die Tür klopft, schrecke ich hoch. Obwohl ich das Klopfen erwarte, obwohl er tatsächlich innerhalb einer Zeitspanne von fünfzehn Minuten, die wir für seine Ankunft errechnet haben, kommt, obwohl er mich vom Taxi aus angerufen hat, um mir mitzuteilen, dass er gelandet ist, und um die Zimmernummer zu erfahren, trotz alledem schrecke ich hoch, als ich das Klopfen höre. Ich bin seit zwei Stunden auf. Jede Menge Zeit, um das Frühstück zu bestellen, meine Beine zu rasieren, meine Haare zu föhnen. Ich habe den roten Lippenstift aufgetragen und etwas davon entfernt, noch mehr davon entfernt und ihn schließlich ganz abgewischt. Zurück ist nur ein schwacher roter Farbtupfer geblieben, ein Farbton, der durchaus der natürliche Ton von Frauenlippen hätte sein können. Ich will nicht, dass er denkt, ich hätte Make-up aufgelegt. Ich will nicht, dass er den Eindruck hat, dass ich mir zu große Mühe gebe.
    Ich stehe auf Zehenspitzen. In diesem Augenblick werde ich zur Ehebrecherin. Meine Hand liegt auf dem Türknopf, mein Auge schaut durch den Türspion. Er sieht zur Seite, was gut ist, denn aus diesem Blickwinkel kenne ich ihn am besten. So hat er auf dem Flug von Phoenix nach Dallas für mich ausgesehen, ein Profil, ein Mann, der auf einer Münze erscheint. Was beobachtet er? Kommt der Zimmerservice
den Korridor herunter? Kommen die Zimmermädchen mit ihren Rollwagen voller Klopapier und Handtüchern, oder ist er nur nervös, hat er Angst, erwischt zu werden? Doch wir sind hier in New York, dem anonymsten Ort auf der Welt. Er sieht zuerst in die eine Richtung, dann in die andere, als bereite er sich darauf vor, eine Straße zu überqueren.
    Und ich sage zu mir selbst - laut, wie eine Verrückte: »Das ist der Augenblick.«
    Aber natürlich ist er das nicht. Unsere eigentliche Beziehung hat schon vorher angefangen, gestern Morgen, als ich an Bord des Flugzeugs ging, oder vielleicht letzten Dienstag, als er mir die Ticket-Daten mailte, oder vielleicht sogar noch früher, als ich zustimmte, nach New York zu kommen, als wir ein Datum für unser Treffen festlegten. Vielleicht war der Wendepunkt aber auch an jenem Tag, als er mich zum ersten Mal anrief, damals als ich Tory auf dem Spielfeld beobachtete, oder als ich ihn in der Flugzeugkapelle von Dallas küsste. Die Vorstellung, man könne sein Schicksal ändern, ist eine Illusion, und ich gebe mich ihr nicht lange hin. Diese Entscheidung ist vor Jahren gefallen. Bevor mir Gerry Kincaid überhaupt begegnet ist.
    Er klopft wieder.
    Ich öffne die Tür.
     
    Ich würde gern sagen

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