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Ein Mann zum Abheben

Ein Mann zum Abheben

Titel: Ein Mann zum Abheben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wright
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können, dass Sex keine große Sache ist.
    Nein, er ist eine Offenbarung.
    Nicht nur, dass es Geschlechtsverkehr wie diesen überhaupt irgendwo auf der Welt gibt. Das habe ich bereits gewusst. Etwas in mir hat immer gewusst, dass es da draußen Menschen gibt, die Geschlechtsverkehr wie diesen haben. Die Überraschung ist, dass es mir widerfährt.

    Er küsst mich, bis ich schwach werde, ich werfe meinen Kopf auf dem Kissen hin und her und murmle: »Ich will Liebe.«
    Sofort schäme ich mich. Das entspricht nicht unserer Abmachung, warum muss ich immer so herausplatzen?
    Aber er nimmt ebenso umgehend meine Hand und sagt: »In Ordnung, suchen wir uns etwas davon.«
    Er könnte auch einen Tropenhelm aufhaben. Er könnte einen Spazierstock genommen haben und eine Feldflasche oder sich einen Rucksack auf den Rücken geschnallt haben. Meine Hand gibt er keinen Augenblick frei, und mich überkommt das Gefühl, dass ich den Weltraum durchquere, meine Augen an dem einen Ort schließe und an einem anderen öffne. In mir sind so viele Gefühle, deshalb dauert es eine Weile, bis ich feststelle, dass das wichtigste unter ihnen Erleichterung ist. All diese Gedanken, die schon so lange in mir arbeiten, die herumgeistern und auf sich selbst zurückgeworfen werden, die mich fast überzeugt hätten, dass ich krank und komisch bin und für die Liebe nicht tauge - plötzlich haben all diese Gedanken ein Ziel.
    Er erwischt mich einmal dabei, wie ich auf die Uhr schaue, und ich beichte ihm, dass ich auszurechnen versuche, wie lange wir das hier schon machen, wie viele Jahre ich schon auf diesem Bett lebe. Aber er will nicht, dass ich weiß, wie viel Uhr es ist, und streckt die Hand zum Tisch aus. Seine Schultern und sein Rücken glänzen schweißnass. Ich gehe davon aus, dass er die Uhr zur Wand dreht, aber er hebt sie mit einem Ruck hoch. Die Bewegung kommt so abrupt, dass ich eine Sekunde lang denke, er lässt sie wie einen Stein auf meinen Kopf fallen. Stattdessen wird der Stecker mit einem Knall aus der Dose gezogen, und die roten Ziffern versinken augenblicklich in einem dunklen Meer.
    »Du hast sie kaputt gemacht.« Sage ich es, oder denke ich
es nur? Er schleudert die Uhr quer übers Bett, das schwarze Kabel schlägt an seinen Arm. In diesem Augenblick würden die meisten Männer lächeln, würden ein breites Grinsen zeigen, um die Heftigkeit dieses Gewaltausbruchs abzuschwächen, um die Ironie, die in dieser Situation liegt, anzuerkennen, aber Gerry - das lerne ich im Lauf dieses langen Tages, der keine Stunden hat - gehört nicht zu den Männern, die beim Geschlechtsverkehr lachen. Genaugenommen sieht er aus, als würde er sterben.
     
    »Es ist großzügig von dir, dass du dich so in die Niederungen herunter begibst«, sage ich. »Fliegst her, um mit mir ins Bett zu gehen, obwohl ich nicht einmal ein Yankee, eine Bankerin oder so etwas bin.«
    »Glaube mir, die Tatsache, dass du kein Yankee und keine Bankerin bist, kommt dir sehr zugute.« Ich hebe Gerrys graues Jackett auf und ziehe es über. Das Seidenfutter fühlt sich auf meiner Haut kühl an. »Die klügsten Leute, die ich jemals kennengelernt habe, waren Südstaatler. Zum Beispiel Custis.«
    »Wer ist Custis? Darf ich mich in diesem Jackett hinlegen?«
    Er rutscht ein paar Zentimeter herüber, ich krieche neben ihn und lege meinen Kopf an seine Schulter.
    »Der fertige alte Kerl, der auf der Farm lebte, auf der ich im Sommer immer mithalf. Sie gehörte dem Onkel meiner Mutter. Sie hat Hasch unter meinem Bett gefunden und beschlossen, ich müsse lernen, wie sich wahre Arbeit anfühlt. Das waren ihre Worte - wahre Arbeit, Männerarbeit, der Himmel weiß, wie sie auf diese Idee kam. Mein Vater war Jurist. Es war höllisch heiß, nirgendwo gab’s Schatten, aber Custis - ich schwöre dir, der muss hundert gewesen sein, und er hat diese gewisse Volksklugheit besessen.«

    »In Boston wird es nicht heiß.«
    »Das war nicht in Boston, sondern in Virginia.«
    »Custis hat dir also beigebracht …«
    »Custis hat mir alles über das Leben beigebracht. Ich weiß nicht genau, was meine Eltern beweisen wollten, als sie mich dorthin schickten, damit ich mir für zwei Dollar fünfundsechzig pro Stunde den Hintern aufreiße, aber Custis hat mir alles Mögliche beigebracht.«
    »Zum Beispiel?«
    »Custis war es, der mir beigebracht hat, wie man eine Wassermelone bumst.«
    »Du machst Witze.«
    »Meine erste Erfahrung war eine Wassermelone.«
    »Ich glaub’s nicht, dass du deine Unschuld

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