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Ein Mann zum Abheben

Ein Mann zum Abheben

Titel: Ein Mann zum Abheben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wright
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totzuschlagen. Ich liebe Restoration Hardware. Die Musik ist gedämpft und das Verkaufspersonal freundlich. Sie führen spiralenförmige Schläuche, wunderschönes schweres Geschirr und Lederstühle. Sie verkaufen Hochzeitsgeschenke.
    Gerry steht am anderen Ende des Ladens und schaut sich Bücher an. Er legt die Stirn in Falten, sein Gesicht ist angespannt. Als ich zu ihm gehe, zeigt er mir ein Rezept für Coq au Vin, das über einem Lagerfeuer gekocht wird. Zudem hat er einen Korb voller altmodischer Bay-Rum-Seife in der Hand, und er erzählt mir, dass ihn allein schon die Verpackung an seinen Großvater erinnert. »Danach soll ein Mann duften.« Er hält mir ein Stück hin, damit ich daran schnuppere. »Diesem Duft kannst du vertrauen.«
    Er zahlt bar. Als wir das Geschäft verlassen, haken wir uns unter. Mir gefällt es, dass er so viel größer ist als ich. Als ich meinen Arm in seinen lege, zieht er mich fast hinter sich her. Wegen seiner langen Schritte stolpere ich ein paarmal. Seine Frau muss größer sein als ich, oder sie gehen nicht oft Arm in Arm. Wir laufen vor dem Schaufenster an unserem Spiegelbild vorbei. Wir sind ein schönes Paar.
    Am nächsten Morgen wird er früh abreisen. Sein Flug geht Stunden vor meinem, und ich bitte ihn, mich aufzuwecken. Er möchte das nicht. Es gibt keinen Grund, sagt er, dass ich vor Sonnenaufgang aufstehe, um mich von ihm zu verabschieden, außerdem würde er beim Gehen lieber das Bild vor Augen haben, wie ich schlafend in dem plüschigen weißen Bett liege. Vermutlich ist ihm nicht nach Abschiedsszenen oder Fragen über ein Wiedersehen zumute.

    »Ich verspreche, keine Szene zu machen«, sage ich. »Bitte weck mich auf.«
    Trotzdem werde ich am nächsten Morgen zu den gedämpften Geräuschen, die die Zimmermädchen im Korridor machen, allein aufwachen. Er wird mir auf seinem Kissen die Speisekarte für das Frühstück und ein Stück Bay-Rum-Seife zurückgelassen haben.
    Aber als wir zum Abendessen gehen, weiß ich von alldem noch nichts. Ich kann nicht in die Zukunft sehen, und das ist ein großes Geschenk. Ich sehe uns nur glücklich, attraktiv und Arm in Arm, unsere Konturen spiegeln sich in den Fenstern teurer Geschäfte. Ich sehe ihn hochschrecken und lachen, als der Summer in seiner Tasche losgeht, sehe, wie wir zu einem Séparée geleitet werden, wie wir unsere Köpfe über die Speisekarten beugen und beschließen, mit einem Teller Muscheln anzufangen. Ich erzähle ihm Geschichten über Kelly und mich im Drive-in-Restaurant, und er zitiert einen Liedtext, den er damals in den Siebzigern für seine erste Liebe schrieb.
    »Sie hat mir das Herz gebrochen.«
    »Wahrscheinlich ist sie inzwischen gestorben. Oder sollte es wenigstens sein.« Er lächelt, und für einen Augenblick dehnen wir uns dort im Restaurant aus, die Luft um uns flirrt vor Möglichkeiten. Er schiebt mir die letzte Muschel zu, so wie Strolch Susi den letzten Fleischklops überlässt. Als ich ein kleines Mädchen war, war das mein Lieblingsfilm.

Kapitel 15
    Sex kann dich retten. Das sollte man eigentlich nicht sagen, aber es stimmt. Nach meiner Rückkehr aus New York fühle ich mich ganze drei Tage lang wie abgehoben. Ich schicke Gerry eine E-Mail, deren ganzer Text »Ich bin glücklich« lautet.
    Mir ist klar, dass es so nicht laufen kann. Man sollte in Therapie gehen und an seinen Problemen arbeiten. Man sollte ein Tagebuch führen und Yoga machen und tief einatmen. Man sollte irgendwohin gehen, wo es schlicht und weiß ist - vielleicht in ein Strandhaus in einer Stadt, in der man niemanden kennt, und die Wände des Hauses sollten alle weiß und ohne irgendein Bild sein. Oder man fliegt stattdessen mit einer Gruppe von Frauen nach Irland, alle tragen handgesponnene Hemden und essen nahrhaftes Wurzelgemüse, der Himmel sieht ständig nach Regen aus. Oder vielleicht Indien. Wahrscheinlich Indien. Das oder Nepal. Es kommt darauf an, dass man weit wegfährt und sehr lange wegbleibt. Das Glück geht streng mit einem um. Es erfordert Stille, Einsamkeit und Nachdenken. Und dann, im Jahr sieben, fünfzehn oder zweiundzwanzig, kommt das Glück zu einem. Oder auch nicht. Ich weiß, dass es so sein sollte. Ich weiß, dass Männer eigentlich nicht wie Abkürzungen und Ausfahrten benutzt werden sollten. Das weiß ich, und doch: Wenn ich nachrechnen würde, wie oft mich
Sex im Vergleich zu Therapie, Religion, Meditation oder zur Liebe guter Freunde ins Leben zurückgeholt hat, wäre das Ergebnis nicht einmal

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