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Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Wäsche, all die kleinen und großen Dinge, von denen sie später sagen konnten: »Meine Wohnung! Unsere Wohnung …«
    In diesen Wochen besuchte Greta Sanden aber auch die Abendkurse der Volkshochschule in Köln. Mit dem Ehrgeiz aller Verliebten versenkte sie sich in die fremde Materie der Musikgeschichte und der Notenkunde. Sie nahm zweimal in der Woche Klavierunterricht bei einer Klavierlehrerin und mühte sich mit den Fingerübungen ab, spielte die Stücke von Clementi … Sonate in C-Dur … Sonatine in G-Dur … Spirituoso … Un poco adagio … Allegro … Manchmal weinte sie vor sich hin, weil sie glaubte, es nie zu schaffen, aber dann riß sie sich empor und zwang sich, nicht aufzugeben. »Ich will Franz überraschen«, sagte sie sich immer wieder. »Ich will ihn später begleiten können, wenn er zu Hause übt … Ich will immer um ihn sein …«
    Und so saß sie weiter mit vierzig anderen Schülern in der Volkshochschule oder hämmerte auf dem Klavier der alten Lehrerin den Takt, den ein Metronom auf dem Klavier ihr angab.
    Drei Tage vor der Premiere in München kaufte sie sich in Köln ein ›kleines‹ Abendkleid, dreiviertellang, mit einem Tüllüberwurf und einer Stola aus Gabelarbeit. Sie studierte auf dem Hauptbahnhof die günstigsten Zugverbindungen, bat um eine Woche Urlaub in ihrem Textilgeschäft und kaufte dann für Franz Krone ein Paar hellgraue Sommerschuhe und einen passenden Schlips dazu. Sie erkundigte sich noch einmal beim Standesamt, welche Papiere für eine Trauung nötig seien, und freute sich, daß sie alle Dokumente besaß und keine Bescheinigung fehlte.
    »Vielleicht komme ich gar nicht mehr nach Köln zurück«, sagte sie zu der Wirtin ihres Zimmers. »Vielleicht hat Franz schon eine Wohnung in München bekommen. Dann schreibe ich Ihnen sofort, und Sie schicken mir bitte meine paar Sachen nach, ja?«
    »Ich wünsche Ihnen viel, viel Glück.« Gerührt drückte ihr die alte Frau die Hände. »Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mich später einmal besuchen kämen. Vielleicht singt Ihr Mann später in Köln …«
    »Bestimmt komme ich Sie besuchen … Bestimmt …«
    Sie rannte aus der Küche hinaus auf ihr Zimmer und warf sich dort weinend auf ihr Bett, weinend vor Glück, wenn sie an solche Zukunft dachte.
    Einen Tag vor der Premiere – Greta hatte den Koffer schon gepackt neben dem Bett stehen – kam ein Brief aus München. Er war kurz, aber Greta las ihn mit starren Augen, ungläubig, immer und immer mit der Hand über die Augen fahrend, als wolle sie einen bösen Traum verscheuchen, der immer wiederkehrte und sich nicht verjagen ließ.
    »Durch unvorhergesehene Dinge, die ich Dir später mündlich erklären muß, möchte ich Dich bitten, nicht zur Premiere nach München zu kommen. Ich werde Dir in den nächsten Tagen schreiben, wann ich Dich hier erwarte. Du kannst aber trotzdem die Premiere miterleben – die Aufführung wird über den Rundfunk übertragen.« Und dann, ein wenig lahm, hingeschrieben, weil es so sein mußte: »Ich denke oft an Dich, Greta. Ich küsse Dich in Gedanken. Dein Franz.«
    Sie saß auf dem Bett und hielt den Brief in den Händen und wußte zunächst nicht, was sie las. Der gepackte Koffer stand neben der Tür, die gelöste Fahrkarte – einmal Zweiter München Hbf. mit FD-Zuschlag – lag auf dem Tischchen neben dem Fenster. Für das Abendkleid hatte sie eine besondere Falttasche aus Perlon gekauft, in der das Kleid nicht zerknautschen konnte – sie stand neben dem Koffer.
    »Ich soll nicht kommen«, durchzuckte es sie nur immer. »Ich soll nicht kommen … Er schreibt mir ab, einen Tag vor der Premiere, wenige Stunden vor der Abfahrt. Er kann singen ohne mich … Warum schreibt er nicht, was vorgefallen ist, was ihn hindert, mich nach München zu holen?! Ein kurzer Brief – das ist alles! Ein harter Brief. Ein Brief ohne Seele.«
    Sie legte das Schreiben auf das Bett, faltete die Hände im Schoß und sah hinaus auf die Straße, über die der starke Nachmittagsverkehr flutete.
    »Ich werde doch fahren«, dachte Greta. »Ich werde ihn überraschen … Ich werde sagen, daß ich den Brief gar nicht bekommen hätte, weil ich schon unterwegs war und in Frankfurt den Anschluß verpaßte. Ich werde einfach da sein, und wenn wir dann allein sind, ganz allein nach der Premiere, irgendwo in einem Hotel, dann werde ich mich an das Klavier setzen und ihm vorspielen … Clementi, Sonatine in G-Dur … Spirituoso … Un poco adagio … Allegro … Und ich werde

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