Ein Mensch wie Du
voller Stimme und markierte nicht mehr … Dr. Fischer schüttelte den Kopf und beugte sich zu Professor Bucher vor, der in der Umbaupause zum zweiten Bild hinter seinem Dirigentenpult im Orchesterraum saß und seine Brille putzte.
»Diese Stille ist unheimlich«, sagte Dr. Fischer leise. »Die Belora ist mir zu sanft …«
»Wohltuend ist das!« Bucher setzte seine Brille wieder auf. »Die erste Generalprobe ohne Krach!«
»Ein schlechtes Zeichen … Es muß Krach geben, sonst wird die Premiere faul! Alte Theaterweisheit!«
»Sie Unke!« Professor Bucher sah auf sein Pult … Dort flammte ein rotes Lichtchen auf, das Zeichen, daß der Umbau beendet sei. Er hob den Taktstock und überblickte sein Orchester. Die Rampenscheinwerfer flammten auf, die Introduktion des zweiten Aktes erklang, der Vorhang teilte sich.
Das Zimmer Scarpias.
In der Seitenkulisse standen Sandra und Franz Krone. Sie sprachen nicht. Sie lehnten eng aneinander und hatten das Gefühl, so miteinander verbunden zu sein, daß es undenkbar schien, einer könne ohne den anderen auf die Bühne treten oder überhaupt etwas unternehmen, ohne den anderen mitzuziehen.
Und heute war die Premiere.
An alles das dachte Franz Krone in diesen stillen Minuten nach dem Erwachen an der Seite Sandras. Er blickte zur Seite.
Sie schlief noch, den Mund wie ein trotziges Kind zusammengezogen. Ihr Körper war warm, trotz der Schlankheit weich und mit einer Haut, die sich wie Samt anfühlte, wenn man mit der Hand darüberstrich.
Leise erhob er sich, deckte sie behutsam wieder zu und tappte hinüber in das kleine Bad neben dem Zimmer.
Als er gewaschen und rasiert wieder in den Schlafraum trat, war sie erwacht, aber sie lag noch immer, hatte das Oberbett zurückgeschoben und schien ihren schlanken, schmalen Körper wie eine sich wärmende Katze der Sonne darzubieten. »Franz …«, sagte sie leise, als Krone durch die Tür kam. Er lachte sie an, das Handtuch keck um den Hals geschlungen, wie es Boxer manchmal tun, ehe sie in den Ring klettern. »Schon wach?«
»Du bist ein Lümmel, mich so lange schlafen zu lassen!« Sie richtete sich auf und drohte ihm. »Sofort kommst du jetzt hierher und holst dir zur Strafe einen Kuß …«
»Ich werde mich hüten!« lachte Franz zurück. »Ich kenne mittlerweile deine Küsse …«
»Feigling!« schnaubte sie. Sie spreizte beide Hände und kniete sich im Bett hin. »Sieh dir die Krallen an«, sagte sie leise. Ihre dunklen Augen blitzten vor Freude und Kampfeslust. »Wenn du kommst, sind es Samtpfötchen, die dich streicheln … So, siehst du … So zart …« Sie streichelte mit den Händen durch die Luft. »Aber wenn du nicht kommst und ich muß dich holen, dann werden sie kratzen und in deinen Rücken hacken und dich zerfleischen wie Tigerkrallen …« Sie beugte sich vor, ihr dünnes Perlonjäckchen öffnete sich. Franz Krone wich lachend an die Wand zurück; er betrachtete ihre wilde Schönheit, die Schmiegsamkeit ihres raubtierhaften Körpers. »Kommst du …«, hörte er sie flüstern.
Er schüttelte den Kopf. Da fuhr sie aus dem Bett empor, setzte mit einem Sprung über das Fußende und stürzte auf ihn zu. Er wich ihr aus, rannte um einen Sessel herum, sie setzte ihm nach, sprang auf den Sessel, ließ sich vornüber fallen und warf sich wie eine Katze auf ihn, schnellte auf ihn zu und umfaßte ihn. »Du!« rief sie leise mit einer hellen, keuchenden Stimme. »Du … Du Satan! Du Zauberer … Du Lieber … Liebster …« Sie küßte ihn, sie hackte die Finger in seinen bloßen Rücken, sie hing an ihm wie eine Wildkatze, die sich in ihr flüchtendes Opfer verbissen hat. Und durch die Sonnenstrahlen tanzten lautlos die Staubkörnchen wie goldene Elfen.
Sie aßen in der Bavaria-Film-Kantine zu Mittag, ehe sie langsam in ihrem Wagen über Grünwald, Geiselgasteig und Harlaching nach München hineinfuhren und vor der Staatsoper hielten. Von den Plakatsäulen und Reklametafeln leuchteten die Anschläge der Oper: Heute abend – Neuinszenierung ›Tosca‹ von Giacomo Puccini mit Sandra Belora als Tosca und Franz Krone als Cavaradossi.
Sandra und Franz, zwei Namen, die von jetzt an unzertrennlich sein würden …
Als sie aus dem Wagen stiegen und schnell durch den Bühneneingang das große Haus betraten, sah Franz Krone nicht, daß auf der gegenüberliegenden Straßenseite in einer Haustürnische ein übernächtigtes Mädchen stand und zu ihm hinüberstarrte. Als er aus dem De Soto stieg und um den Wagen herumeilte, um
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