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Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auf die Hände Gretas und weinte.
    In der Nacht erreichte er durch das Telefon den bekannten Chirurgen Professor Dr. von Kondritz. Der griechische Arzt schilderte ihm in englischer Sprache seine erste Diagnose.
    »Abwarten«, sagte Professor von Kondritz. »Im Augenblick ist gar nichts zu tun. Wir müssen die weiteren Reaktionsfähigkeiten der Nerven erst überblicken können. Behandeln Sie den Fall klinisch, wie Sie denken. In etwa zwei Monaten wird man alles klar übersehen können.«
    In dem kleinen weißen Krankenzimmer saß Franz Krone wieder am Bett Gretas. Sie war aus ihrer Ohnmacht erwacht, aber sie erkannte ihn nicht mehr. Ihr Blick irrte stumpf durch das Zimmer, flog über ihn hinweg, dann schloß sie wieder die Augen und lag teilnahmslos in den Kissen. An der Seite blutete der Kopfverband durch und beschmierte den Kissenbezug. Franz legte ein Tuch unter; vorsichtig, ganz langsam hob er Gretas Kopf an, um es darunterzuschieben. Der Arzt, der ins Zimmer kam, schellte den Pflegern, ernsten, stillen, in schwarze Soutanen gehüllten Mönchen mit sehr langen, wallenden Bärten.
    »Wird sie weiterleben?« fragte Krone leise, als sie den Verband wechselten. Er sah dabei zur Seite, er konnte die Wunde nicht sehen, ohne aufzuschreien.
    »Wir wollen beten.« Der Arzt beugte sich über den Kopf und streute Penicillinpuder auf die breite Wunde. »Wenn Gott gnädig ist, wird sie weiterleben …«
    In der Nacht saß Franz Krone in der Kapelle des Krankenhauses. Das Licht der riesigen Kerzen umflackerte ihn. Er hatte die Hände gefaltet, und auf diesen Händen lag sein Kopf.
    Er schlief. Und der Bruder Küster ließ ihn schlafen, weil er wußte, was ihn zu Gott getrieben hatte.
    In dieser Nacht starb der Japaner Dr. Tayo Kuranomu. Er erwachte nicht wieder. Doppelter Schädelbruch. Er dämmerte hinüber in die Geheimnisse seines schintoistischen Glaubens, ohne gehört zu haben, wie Franz Krone wieder sprach.
    Sieben Wochen lag Greta in dem Hospital der Barmherzigen Brüder von Sparta, ehe der Arzt, der noch einen bekannten griechischen Chirurgen aus Patras hinzugezogen hatte, es wagen konnte, genaue Röntgenaufnahmen von den Rückgratverletzungen zu machen. Die Kopfwunde und die Gehirnerschütterung waren von sekundärer Bedeutung; sie heilten schnell aus und gaben zu keinerlei Besorgnis Anlaß. Nur die innere Verletzung an der Wirbelsäule, hervorgerufen durch den Anprall des Rückens gegen die Oberkante der Tür des Autos, war besorgniserregend. So viel hatte man in diesen Wochen bereits erkannt, daß eine Bewegungsunfähigkeit beider Beine vorhanden war, sie schienen sogar gefühllos zu sein, denn bei einem Probeeinstich in die Ober- und Unterschenkel zeigten die Nerven keinerlei Reaktion.
    Diesen Zustand verheimlichten die Ärzte Franz Krone. Sie sprachen von einer vorübergehenden Gefühllosigkeit infolge einer Prellung, die bald behoben werden könnte.
    Vor dem ersten richtigen Erwachen, vor der Wiederkehr der geistigen Klarheit hatte sich Franz gefürchtet. »Keine Aufregung!« hatte der Arzt immer gesagt. »Zeigen Sie Ihrer Frau nicht, daß Sie wieder sprechen können. Dieser freudige Schreck könnte ihren Zustand nur verschlimmern. Wir müssen warten, bis wir es ihr sagen können …« Und so saß Franz Krone am Bett und hielt die Hände Gretas, als sie nach sieben Tagen die Augen aufschlug und sich erstaunt umblickte. Als sie Franz sah, lächelte sie und schloß glücklich wieder die Augen. Er beugte sich über sie und küßte sie zart auf die blassen, schmalen Lippen.
    »Nicht böse sein«, sagte sie leise, fast wie ein Hauch. »Es kam so plötzlich …« Sie legte den Arm um seinen Nacken und drückte seinen Kopf zu sich hinunter. »Bin ich sehr verletzt …?«
    Franz schüttelte den Kopf. Mit zitternden Fingern griff er in die Tasche und holte Bleistift und Papier heraus. »Der Arzt sagt, daß bald alles wieder gut ist«, schrieb er. Mühsam unterdrückte er den Wunsch, den unbändigen Drang, aufzuspringen und zu schreien: »Ich kann ja sprechen! Ich kann sprechen! Hör mich doch, Greta, hör mich … Ich kann wieder sprechen! Du glaubst es nicht? Nein, du träumst nicht … Hör doch, hör: Ich liebe dich … Hörst du? Ich liebe dich – ich liebe dich! Das habe ich gesagt, mit meiner Stimme … O Greta … Greta …«
    Aber er schwieg … Er legte den Kopf neben den ihren auf das Kissen und streichelte ihre langen, blonden Haare. »Sie darf es noch nicht wissen«, sagte er leise zu sich. »Sie darf es erst

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