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Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einer asiatischen Gottheit erwartete.
    Gegen ein Viertel vor zwölf Uhr fuhren Dr. Kuranomu und Greta aus Gythion ab und bogen in die Küstenstraße ein. Sie führte am Rande eines Plateaus entlang, rechts stiegen die Felsen an, links fiel die Straße etwa dreißig Meter steil ab zu einem schmalen, steinigen Strand, über dem bei starkem Wind das Meer brandete.
    An diesem schönen Mittag war der Strand frei. Muscheln und Seetiere trockneten in der Sonne, Tang lag zwischen den Steinen, Treibholz und Fetzen eines losgerissenen Netzes. Der weiße Nash fuhr schnell diese schmale Stelle, die etwa einen Kilometer lang war, entlang. Hinter diesem Engpaß senkte sich die Straße etwas, wurde breiter und führte am Strand entlang bis Ageranos.
    Dr. Kuranomu sprach wenig. Sein gelbes, zerknittertes Gesicht mit dem ewigen Grinsen lag im Schatten einer weißen Sportmütze, die er der Sonne und der Blendung wegen trug. Greta saß neben ihm; ihr Haar flatterte im Zugwind. Auf dem Schoß hielt sie eine Tasche mit Weintrauben fest, während das Fleischpaket und eine kleine Kiste Konserven auf dem Notsitz hin- und herschütterten. Ihr Klappern übertönte das leise Summen des starken Motors.
    »Wann, glauben Sie, Doktor, wird Franz wieder sprechen können?« fragte sie. »Er ist glücklich über die Töne, die er schon sagen kann.«
    »Es ist ein Fortschritt, bestimmt.« Der Japaner starrte geradeaus auf den gelbbraunen, staubenden Steinbelag der Straße. »Aber ich glaube nicht, daß wir weiterkommen.«
    »Sie machen mich ängstlich, Doktor.«
    Kuranomu hob die Schultern. »Irgend etwas sperrt sich in ihm gegen meinen Willen – ich kann nicht erkennen, was es ist! Ich komme bis zu einer gewissen Tiefe seiner Seele – aber dann ist es dunkel, auch für mich. Ich ringe mit ihm, jeden Tag, ich bin ohne Mitleid, bis er zusammenbricht – aber in der Tiefe ist es dunkel …«
    »Und die Buchstaben, die Laute, die er schon sagt? Sie sind doch ein Beweis, daß seine Stimme wiederkommt.«
    »Es ist ein Beweis von der Rückkehr einer gewissen, noch sehr begrenzten Phonation. Sicherlich – es ist verblüffend, daß die Glottisnerven wieder – wenn auch nur schwach – reagieren. Aber –« Er macht die Handbewegung des Bedauerns. In diesem Augenblick fühlte sich Greta nach vorn geschleudert. Sie schrie auf, instinktiv umklammerte sie einen Haltebügel vor sich am Armaturenbrett. Glas splitterte, der schwere Wagen schleuderte über die enge Straße, er drehte sich und raste dann mit der ihm von der Fahrt innewohnenden Fliehkraft auf den Felsen zu. Mit starrem Gesicht sah Dr. Kuranomu den Felsen auf sich zukommen, seine gelben Hände hielten das Steuerrad umklammert, dick lagen auf seinen Händen die Adern. Er versuchte, das Rad herumzureißen, er trat auf das Gaspedal und dann wieder auf die Bremse – zu spät, der Felsen war da, er wuchs vor ihm auf wie eine brausende Vision, dann krachte der Wagen gegen das Gestein und wurde zurückgeschleudert auf die Straße, wo er, auf der Seite liegend, die ganze Fahrbahn einnahm. Im Augenblick des Umstürzens gellte die Hupe auf, sie zerschnitt die stille Einsamkeit und blieb in den Felsen hängen, grell, schreiend, während der zerdrückte Motor schwieg und eine Lache Benzin über die Straße floß.
    Jaulend humpelte ein verwilderter Hund an den Trümmern vorbei und verschwand zwischen den Felsen. Ein kleiner, braungelber, struppiger Hund, der mitten auf der Straße gesessen und vor dem Kuranomu plötzlich gebremst hatte, um ihn nicht zu überfahren.
    In den Trümmern des Wagens lagen zwei Menschen. Über ihre blaßgelben Gesichter wehte der Staub. Die Hand Kuranomus hielt noch immer das Steuerrad umklammert, aus seiner Schulter sickerte Blut auf die Lederpolster.
    Die Einsamkeit um sie herum war vollkommen. Die Sonne fraß das auslaufende Benzin. Nur die Hupe gellte durch die blaue, staubige Stille wie eine Sirene, die um Hilfe schrie.
    Erst um halb vier Uhr wurden sie gefunden von einem Bauern, der mit seinem Eselskarren von Ageranos nach Gythion wollte.
    Die Nachricht von dem gräßlichen Unglück überbrachte der Bürgermeister von Ageranos. Nachdem ein Rettungswagen die Verletzten nach Gythion gebracht hatte, wo der einzige Arzt sie flüchtig untersuchte und dann sofort das Hospital von Sparta anrief, beratschlagte man in Ageranos, wer die schreckliche Nachricht dem stummen Hausherrn der weißen Villa überbringen sollte.
    Greta war in dem kleinen Ordinationszimmer des Arztes für einen

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