Ein Millionär und Verführer
Privatdetektivs Schritt für Schritt geplant, wie sie ihn auf sich aufmerksam machen konnte. Zu ihrer Überraschung sah er in natura noch viel besser aus als auf den wenigen Schnappschüssen, die sie in der Zeitung gefunden hatte. Er war groß, hatte dunkles Haar und genauso dunkle Augen, die ihm etwas Gefährliches, etwas Wildes verliehen.
Sie wusste, dass er für die zahlreichen wohltätigen Organisationen der Stadt eine zentrale Rolle spielte. Vermutlich war das seine Art, wiedergutzumachen, was sein Vater angerichtet hatte. Nur eine Handvoll Menschen wusste, dass er der Sohn des kürzlich verstorbenen Clyde Hawkins war – des Mannes, der Calistas Vater ruiniert hatte. Und auch wenn Leo Grant noch nichts davon wusste: In naher Zukunft würde er ihr dabei helfen, ihrer Familie etwas von ihrem einstigen Wohlstand zurückzugeben.
Wie jedes Wochenende fuhr Calista am Sonntagnachmittag die Einfahrt zum Vorstadthaus ihrer Cousine Sharon hinauf und parkte ihren acht Jahre alten, aber gepflegten BMW neben der Garage. Die zweistündige Fahrt nahm Calista gern in Kauf, um ihre Zwillingsschwestern zu besuchen. Nur weil Philadelphia weit genug entfernt lag, waren sie von den schlimmsten Auswirkungen des Skandals verschont geblieben, der ihre Familie einst fast zerstört hätte.
Beim Gedanken an ihre Cousine musste Calista lächeln. Auch wenn Sharon und ihr Mann Walter einen leiblichen Sohn hatten, behandelten sie die Zwillinge immer wie eigene Kinder. Calista stieg aus dem Wagen, lief die Treppe zu dem kleinen Cottage hinauf und klopfte. „Hallo? Ist jemand zu Hause?“
Schon hörte sie freudiges Kreischen und das Getrappel von mehreren Paar Füßen. Im nächsten Moment flog die Tür auf, und ihre Schwester Tina und Sharons Sohn Justin betraten die Veranda. Kurz rangelten sie darum, wer Calista zuerst begrüßen durfte, bevor Tina gewann und ihre Schwester fest umarmte. Der fünfzehnjährige Justin verzog das Gesicht.
Nun erschien Tami, ihre zweite Schwester, im Türrahmen. Wie immer setzte sie eine gelangweilte Miene auf und musterte die Szene, als läge eine herzliche Begrüßung weit unter dem Niveau einer Siebzehnjährigen. Gähnend wartete Tami ab, bis sich die anderen beruhigt hatten. Dann umarmte sie Calista kurz und sagte: „Cal, können wir nachher zur Maniküre fahren? Meine Hände sehen grauenhaft aus.“
„Aber ich will Gokart fahren gehen“, protestierte Tina.
„Ganz meine Meinung“, schloss sich Justin an. „Damit sind wir die Mehrheit.“
Tami verdrehte die Augen. „Immer kriegt Tina, was sie will. Ich setze mich an den Rand und schaue zu.“
„Wir könnten doch beides machen“, schlug Calista vor. „Erst Gokart fahren, dann ein Zwischenstopp bei der Kosmetikerin.“
„Lässt du mich unterwegs bei der Eisdiele raus?“, fragte Justin, den die Vorstellung, zwei Stunden in einem Beauty-Salon zu verschwenden, nicht unbedingt zu freuen schien. „Sie liegt auf dem Weg!“
Jetzt trat Sharon an die Tür. „Cal, wie schön, dass du da bist!“
Calista schloss ihre Cousine lächelnd in die Arme. „Ich hatte kaum Zeit zu klopfen“, erwiderte sie und warf einen Blick auf Justin und Tina.
Sharon verwuschelte ihrem Sohn das Haar. „Kein Wunder, sie freuen sich schon den ganzen Tag auf dich. Und, was macht ihr heute?“
„So wie es aussieht, eine Runde Gokart und dann ein Besuch bei der Kosmetikerin“, erwiderte Calista.
„Was für ein Programm“, sagte Sharon lachend. „Kann ich kurz mit dir reden, bevor ihr geht?“
„Na klar.“ Calista ging mit ihrer Cousine ins Haus und folgte ihr auf die hintere Veranda, wo zwei Gläser und eine Karaffe Eistee bereitstanden.
Nachdem sie sich gesetzt hatten, fragte Calista: „Und? Was ist los?“
„Es geht um Tami“, sagte Sharon ruhig. „Ich habe sie schon wieder beim Rauchen erwischt. Und um ehrlich zu sein, gefällt mir nicht, mit welchen Freunden sie sich umgibt. Gestern Nacht ist sie viel zu spät nach Hause gekommen, und ich befürchte, dass sie getrunken hat.“
Calista wurde flau im Magen. Es war ihr so wichtig, dass ihre Schwestern in einem stabilen, liebevollen Heim aufwuchsen, bevor sie aufs College gingen. Da Sharon Hausfrau war und ihr Mann nicht sehr viel verdiente, überwies Calista ihnen seit ihrem Studienabschluss den Großteil ihres Einkommens, um die Ausgaben für die Zwillinge zu decken.
Bald würden ihre Schwestern die Schule beenden. Und Calista bestand darauf, dass sie sich ohne Rücksicht auf die Kosten an jedem
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