Ein Mörder kehrt heim
getan?«, fragte Twiggy.
Gaby hob die Augenbrauen und prustete. »Nein, Sie haben mir meine nicht vorhandene Unschuld nicht geraubt. Wenn du das meinst.«
Twiggy winkte ab.
Das Telefon klingelte. Dornröschen stapfte zur Kommode im Flur und nahm ab. Dann legte sie den Hörer neben den Apparat und rief Matti. »Kundschaft.«
»Ich binâs.«
»Anja?«
»Nein, wie kommst du darauf? Ist die immer noch verschwunden? Monika. Vielleicht erinnerst du dich?«
»Ja, Monika, natürlich.«
»Habt ihr Anja gefunden?«
»Nein.«
»Mein Gott.«
»Der hilft da auch nicht.«
»Ja ⦠ja. Ich will nicht stören. Entschuldigung! Ich wollte nur sagen, ich habe mich hier ein bisschen umgehört. Niemand hat eine verletzte Frau gesehen. Keiner hat irgendwas Auffälliges bemerkt. Ich dachte, es hilft vielleicht.«
»Danke, das ist echt lieb von dir. Tut mir leid, dein Anruf hat mich ⦠überrascht â¦Â«
»Hätt ich besser nicht â¦Â«
»Doch, ich freue mich. Wir sitzen gerade hier und wälzen Rätsel.«
»Musst du in den Knast?«
»Derzeit nicht. Das ist jetzt schwer zu erklären ⦠eine Freundin wurde entführt â¦Â«
»Aber Anja â¦Â«
»Nein, nicht Anja. Sie heiÃt Gaby und hat uns geholfen. Dabei wurde sie entführt.«
»Von wem?«
»Keine Ahnung. Das ist ja das Problem. Obwohl, einen Verdacht haben wir schon.«
»Kann ich euch helfen?«
»Wenn uns was einfällt, melden wir uns.«
»Und mal einen Kaffee trinken und quatschen?«
»Das machen wir. Sobald ich klar blicke, melde ich mich. Ja?«
Sie nannte ihm ihre Handynummer. »Du rufst an?«
»Versprochen.«
»Hast du eine Ahnung, was für ein Auto es war? Hast du eine Erinnerung an diesen Keller?«, fragte Matti.
»Du bist offenbar der einzige Mensch, der so was herausbekäme mit einer ScheiÃbinde vor den Augen und einem ScheiÃäthermull vorm Maul.« Gaby verzog das Gesicht und rollte mit den Augen.
»Ist ja gut«, sagte Matti.
»Nichts ist gut, verdammte ScheiÃe. Ich sollte einem ScheiÃopa hinterherlatschen, und was passiert?« Sie winkte ab und trank einen Schluck. »Diesen Mistkerlen reià ich den Arsch auf«, schimpfte sie.
Matti begriff erst jetzt, dass sie in ihrer Ehre als Kampfsportlerin getroffen war. Die hatten sie einfach abgeräumt, übertölpelt. Das hätte ihn auch schwer genervt. Aber für Gaby war es doppelt so schlimm. Gaby legte nämlich jeden flach, den sie flachlegen wollte. Sie hatte diverse Gürtel in Judo, Karate und war eine gefürchtete Kickboxerin. In ihrem drahtigen Körper steckte mehr Energie als in einer Dampfturbine. Und Wut ohne Ende.
»Habt ihr die Mails schon gründlich gecheckt?«, fragte Dornröschen.
»Steht nur Quatsch drin«, sagte Twiggy.
»Wie viele Mails sind es?«
»So zweihundertsiebzig.«
»Und die wollt ihr gründlich gelesen haben?«
»Die Tütütü-Briefchen ans Enkelchen haben wir uns erspartchen«, sagte Twiggy.
Dornröschen schüttelte den Kopf, ihr Gesicht zeigte Verzweiflung. »Glaubst du, der schreibt: Lieber Georg, toll, dass wir wieder was zusammen unternehmen? So ein Banküberfall ist doch ein tolles Erlebnis. Ich bin schon ganz aufgeregt. Dein Leo.«
»Wir haben es eilig«, sagte Matti. »Ich fände es hübsch, man würde mir einen weiteren Luxusaufenthalt in Moabit ersparen. Wenn das nicht zu viel verlangt ist.«
»Sag mal, was mir passiert, ist euch scheiÃegal!«, schnauzte Gaby. Sie lallte ein bisschen.
»Im Gegenteil«, sagte Dornröschen. »Die Drecksäcke, die dich entführt haben, sind Helfer von Fendt. Wenn wir den kriegen, kriegen wir auch die Drecksäcke. Kapiert?«
Gaby starrte sie an. Sie nickte vorsichtig. Dann stand sie abrupt auf und marschierte in Twiggys Zimmer. Zwei Minuten später tönte ihr Schnarchen bis in die Küche.
Matti grinste. Gaby war eine faszinierende Frau. Wie viele war sie der Enge der Kleinstadt nach Berlin entflohen. Und auch dem Familienelend nach dem Unfalltod ihrer jüngeren Schwester. Sie stammte aus Castrop-Rauxel und hing seit einem halben Jahrhundert an ihrer Dissertation über die Frauensportbewegung in der Weimarer Republik, von der Matti zuvor nie gehört hatte. Manchmal hatte er es bedauert, dass Gaby Lesbe war. Gaby rastete zwar
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