Ein Mörder kehrt heim
unverwechselbare Geschöpf schon einmal gesehen?«
Der Meister guckte sie verdutzt an. Ein Blick aufs Bild, dann musterte er Dornröschen. Erst streng, dann zog ein mildes Lächeln über sein Gesicht. Er hob die Krakenarme und streckte die Hände zum Himmel. Er zeigte aufs Bild. »Diese Frau ist völlig aus dem Gleichgewicht. Sagen Sie ihr, sie möge schleunigst in Behandlung kommen. Sie hat die erste Sitzung frei.« Sein Gesicht zeigte Betrübnis.
Twiggy baute sich vor dem Meister auf. Er nahm Dornröschen das Foto weg und hielt es dem Monster unter die Nase. »K-e-n-n-e-n S-i-e d-i-e-s-e F-r-a-u?« Er betonte jeden Buchstaben.
Der Meister erschrak und griff mit unsicherer Hand nach dem Foto. Er blickte es lange an. Endlich schüttelte er den Kopf. Er warf Twiggy einen ängstlichen Blick zu und schüttelte noch einmal den Kopf. »Nein«, hauchte er.
Als sie den Ayurveda-Tempel verlassen hatten, bekam Twiggy einen Tobsuchtsanfall. »Das ist alles Müll, was wir treiben. Wir finden die blöde Kuh sowieso nicht. Und wenn sie jemand doch erkennt? Das nutzt überhaupt nichts. Ihr glaubt doch selbst nicht, dass uns hier einer übern Weg läuft und freudestrahlend sagt: Ach, das ist ja die Anja, die wohnt jetzt in der Greifswalder 28.«
»Ich kannâs auch allein machen«, sagte Dornröschen nach einer Weile.
Matti schwieg. Twiggy hatte recht, aber ihn rührten Dornröschens Ernst und ihre Unbeugsamkeit. »Lass uns weitersuchen«, sagte er. »Wenn wir zu Hause rumhocken, finden wir garantiert nichts. Und hier haben wir eine Chance, eine winzige. Immerhin.« Er klopfte Twiggy auf die Schulter.
Twiggy brummte.
Im nächsten Hauseingang erwartete sie ein Junkie. Dürr wie ein Strich, hatte er sich unter die Briefkästen gelegt. Speichel tropfte aus seinem Mund auf den Steinboden. Ein Radio plärrte gegen einen Fernseher an. Oben kreischte ein Kind.
Im Erdgeschoss links wohnte eine alte Frau mit kurz geschnittenen weiÃen Haaren. Ihre Augen blickten freundlich durch eine Hornbrille mit dicken Gläsern. »Ja?«
Dornröschen gab ihre Vorstellung. Die Frau studierte das Foto, überlegte und erklärte mit Gewissheit: »Das ist Monika!«
»Wo wohnt sie?«, fragte Dornröschen.
»Na, oben.« Der Finger zeigte zur Decke.
Matti traf es wie ein Schlag. Anja hatte sie nach Strich und Faden belogen. Nicht mal den richtigen Namen hat sie ⦠halt, die Bullen hatten doch herausgefunden, dass sie tatsächlich Georgs Tochter war. Anja Barth, so hieà sie wirklich. Dann musste sie hier unter falschem Namen eingezogen sein. Das erklärte einiges. Aber sie war so unvorsichtig, ihre Adresse zum Teil zu nennen. Richtige StraÃe, falsche Nummer. Warum das Theater?
»Seit wann wohnt Monika hier?«, fragte Matti.
Dornröschen schaute ihn von der Seite an, die Augenbrauen zusammengekniffen.
Die Frau lieà ihre Augen schweifen, dann hatte sie Matti im Blick. »Seit zwei Jahren vielleicht, oder länger â¦Â«
Das hieÃ, dass sie hier eingezogen war, lange bevor Georg sich bei ihr gemeldet hatte. Das Versteckspiel hatte nichts mit Georg zu tun. Oder hatte Georg so lange vorausgeplant? Wenn das alles ein ausgeklügelter Plan war, bei dem über Bande gespielt wurde? Immer stärker bedrängte ihn der Gedanke, dass sie Puppen waren in einem verteufelten Spiel. Finsternis umgab sie, obwohl sie alles sahen. Es schien Matti, als ob da jemand sich ins Fäustchen lachte über sie. Das machte ihn wütend. Und rachsüchtig.
»Monika wie?«, fragte Dornröschen.
»Stamm, glaube ich. Ja, Monika Stamm.« Die Frau überlegte noch einmal. Vielleicht, ob es richtig war, diesen drei Leuten diese Auskunft gegeben zu haben. »Vierter Stock.« Sie schloss mit einem Lächeln die Tür.
»Sag ich doch«, flüsterte Dornröschen und stiefelte los. Sie nahm zwei Stufen auf einmal, die beiden Jungs folgten. Als sie oben angekommen waren, schnaufte Twiggy schwer, aber auch Matti war auÃer Puste.
Stamm stand auf der Klingel. Ein Sonnenblumenaufkleber zierte die grüne Tür. Dornröschen drückte den Klingelknopf. Schritte näherten sich. Matti biss sich auf die Unterlippe. Ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt und gedreht. Die Tür öffnete sich. Eine mittelalte Frau stand im Türrahmen und blickte sie neugierig an. Sie war blond wie Anja. Und hübsch wie
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