Ein Moment fürs Leben. Roman
empfand, das hatte ich von Anfang an gemerkt, schon bei unserer allerersten Begegnung in einer Bar in London, als Blake seinen Fernsehvertrag unterschrieben hatte und sie ihn gefragt hatte, ob er
Eis
in seinem Drink wollte. So etwas merkt eine Freundin, sie nimmt die Schwingungen auf, und nun war
sie
möglicherweise diese Freundin, und auch sie wusste Bescheid.
»Lucy?« Sie kam auf mich zu, aber als sie mein Leben neben mir stehen sah, entspannte sie sich etwas. Sie konnte ja nicht wissen, wie unnötig das war.
»Jenna, stimmt’s?«
»Ja.« Sie machte einen überraschten Eindruck. »Unglaublich, dass du dich an mich erinnerst, wir sind uns doch nur dieses eine Mal begegnet.«
»Ja, in London.«
»Richtig. Wow.«
»Du hast dich auch an mich erinnert.«
»Ja, hm, weil ich die ganze Zeit von dir gehört habe.« Sie lächelte.
Gehört habe. Vergangenheit.
»Na, dann herzlich willkommen«, sagte sie und sah mein Leben schüchtern an. Sie war nett. Und ich würde sie vernichten.
»Das ist Cosmo, ein Freund von mir.«
»Cosmo, cooler Name. Freut mich, dich kennenzulernen.« Sie streckte ihm die Hand hin, und er wischte sich seine salzigen Finger an der Jeans ab, bevor er sie nahm.
»Ist Blake heute da?«, fragte ich und sah mich um.
»Ja. Weiß er denn nicht, dass du kommst?«
Übersetzung:
Ist das arrangiert? Wollt ihr wieder zusammen sein? Muss ich mir Sorgen machen?
Ich lächelte süß. »Ich wollte ihn überraschen.«
»Wow. Toll. Na dann, er wird sich bestimmt freuen, dich zu sehen, aber momentan ist er total beschäftigt. Er macht sich gerade fertig für die erste Gruppe. Gehört ihr auch dazu?«
»Ja«, lächelte ich.
Mein Leben starrte mich an, als würde er um nichts in der Welt auch nur in Erwägung ziehen, mit mir aus einem Flugzeug zu springen, aber ich war ihm dankbar, dass er nichts sagte.
»Wie lange arbeitest du schon hier?«
»Den ganzen letzten Monat, seit der Eröffnung. Blake war so nett, mir den Job zu geben. Die Sendung war ja fertig, aber ich wollte einfach noch nicht wieder nach Hause, verstehst du. Es gefällt mir total gut hier.«
»Australien ist ganz schön weit weg.«
»Ja, stimmt«, räumte sie ein bisschen traurig ein. »Na ja, wir werden sehen.«
»Wir werden sehen?«
»Wir werden sehen, wie es läuft. So, dann mache ich jetzt erst mal die Gruppe fertig, und ich muss Blake noch schnell einen Kaffee bringen, den will er immer als Erstes.«
Was Blake als Erstes wollte – davon konnte ich auch ein Lied singen. Mit verkniffenem Lächeln beobachtete ich, wie sie in die Hände klatschte, um die Aufmerksamkeit der Gruppe auf sich zu ziehen, wie sie Anweisungen gab, eine witzige Bemerkung machte und dann, nachdem sie alles geregelt hatte und jeder wusste, was er zu tun hatte, mit einem dampfenden Pappbecher Kaffee aus dem Container lief.
»Ab hier bist du auf dich allein gestellt, Schätzchen«, sagte mein Leben und stopfte sich die nächsten Chips in den Mund.
»Hast du Angst zu springen?«
»Selbstverständlich«, antwortete er. »Vor allem, wenn sie deinen Fallschirm präpariert«, sagte er mit einem Grinsen und wanderte davon, um noch vor ein paar Fotos die Nase zu rümpfen.
Ich versicherte ihm, dass ich ihn nicht zwingen würde zu springen, dass ich aber dem Terminplan folgen musste, um Blake zu treffen. Mein Leben hatte mich hergefahren, damit ich es versuchen konnte, also wusste er, dass seine Rolle darin bestand, mit dem Strom zu schwimmen. Auf keinen Fall wollte ich hier stundenlang rumhängen und wie eine Stalkerin auf Blake warten, denn schließlich war ich keine Stalkerin.
Nein, ganz bestimmt nicht.
Mein Leben und ich folgten der Gruppe nach draußen auf eine Grasfläche. Es war erst zehn Uhr vormittags, aber schon recht warm. Vor uns erstreckten sich zwei Meilen Rollbahn, rechts befand sich der Flugzeughangar. So schlicht die Einrichtung auch sein mochte, ich war trotzdem stolz auf Blake, weil er seinen Traum verwirklicht hatte. Dass es ohne mich geschehen war, dass nicht ich die Trainingsgruppen anleitete, dass nicht ich im Container saß, um Formulare zu ordnen und Besucher zu begrüßen, verlieh dem Ganzen eine seltsam bittersüße Note. Blake hatte sich meine Träume –
unsere
Träume – zu eigen gemacht und sie ohne mich in die Tat umgesetzt. Ich stand lediglich als Beobachterin inmitten einer Gruppe von Mädels, die auf ihn warteten wie auf einen Pin-up-Star. Und das war er jetzt ja auch – vorausgesetzt, man teilte die Meinung
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