Ein Moment fürs Leben. Roman
könnte – obwohl sie und ich uns gerade erst unterhalten hatten. »Die Frau, die mit dir arbeitet. Oh, da ist sie ja.«
Wir blickten auf und sahen, dass Jenna dabei war, die Gruppe an eine andere Stelle zu führen. Sie lächelte, sagte etwas, worauf alle, einschließlich meines Lebens, laut lachten. Irgendwie störte mich das.
»Ach, sie. Das ist Jen.«
Jen, nicht Jenna. Jetzt hasste ich sie noch mehr.
»Warum hast du gedacht, sie wäre meine Freundin?«
»Keine Ahnung. Sie kam mir vor wie dein Typ.«
»Jen? Meinst du?« Nachdenklich musterte er sie, was mir gar nicht gefiel, und ich beschloss, seine Aufmerksamkeit lieber wieder auf mich zu ziehen. Leider fiel mir keine Methode ein, außer mit den Fingern zu schnippen, und das wollte ich nicht. Schließlich stellte ich mich so vor ihn, dass ich ihm die Sicht auf Jenna versperrte, was immerhin so weit funktionierte, dass er wegsah und sich wieder der Ausrüstung widmete. Wir schwiegen. Ich konnte nur hoffen, dass er nicht an Jenna dachte, und zerbrach mir verzweifelt den Kopf, womit ich ihn auf andere Gedanken bringen könnte, aber er kam mir zuvor.
»Ist er dein Freund?«
»Er? Nein!« Ich lachte. »Aber es ist eine echt seltsame Geschichte.« Ich musste ihm die Wahrheit sagen, ich freute mich darauf, ihm die Wahrheit zu sagen. »Eine Geschichte genau nach deinem Geschmack, du wirst sie mögen. Vor ein paar Wochen hab ich einen Brief von der Lebensagentur bekommen. Hast du schon mal davon gehört?«
»Ja.« Er hielt in der Arbeit inne und sah mich an. »Beim Zahnarzt hab ich mal einen Artikel über eine Frau gelesen, die sich mit ihrem Leben getroffen hat.«
»War da ein Bild von ihr, wie sie neben einer Schale mit Zitronen und Limetten steht?«, fragte ich aufgeregt.
»Weiß ich nicht mehr.«
»Na, wie auch immer – er ist mein Leben. Ist das nicht cool?«
Ich rechnete fest damit, dass er beeindruckt sein würde, weil er sich immer so für derartige Dinge interessiert und ein Buch nach dem anderen gelesen hatte, das sich mit der persönlichen Entwicklung, mit Selbstverwirklichung und der Suche nach dem eigenen Ich beschäftigte. Ständig hatte er über verschiedene religiöse Theorien geredet, über Reinkarnation, über das Leben nach dem Tod und über alle möglichen Methoden, mit denen man der menschlichen Seele auf die Spur kommen wollte, und ich war sicher, das hier würde ihn ultimativ interessieren. Das eigene Leben in Fleisch und Blut zu treffen – garantiert hätte er mir ein solch einschneidendes Erlebnis nie zugetraut. Ich hatte mit Leidenschaft in der Stimme gesprochen, um ihm klarzumachen, dass sein größtes Interesse jetzt auch meines war, dass ich eine ungeahnte Gedankentiefe erreicht hatte und dass er mich jetzt lieben konnte.
»Er ist dein Leben?«
»Ja.«
»Und warum ist er hier?«
Seinen Fragen nach zu urteilen, hätte man denken können, dass er sich zumindest ansatzweise für meine Geschichte interessierte, aber glaubt mir, das stimmte nicht. Es hörte sich viel eher an wie: »
Dieser Kerl
ist dein Leben?« Und: »Dann erklär mir bitte noch mal genau, was er hier zu suchen hat.«
Ich schluckte und wollte sofort zurückrudern, aber es ging nicht, ich hätte es respektlos gefunden, mein Leben nicht angemessen zu verteidigen. Immerhin hatte mein Leben mich hierhergefahren und sich auf mein »Ich will zurück zu Blake«-Abenteuer eingelassen! »Die Idee ist, dass wir Zeit zusammen verbringen und uns besser kennenlernen«, begann ich zu erklären. »Wenn Leute mit ihrer Arbeit und ihren Freunden und anderen Ablenkungen zu beschäftigt sind, dann verlieren sie manchmal den Blick für die wichtigen Dinge. Anscheinend war das bei mir der Fall.« Ich zuckte die Achseln. »Aber jetzt nicht mehr. Er ist immer da, wenn ich mich umdrehe. Und er ist sehr lustig. Du wirst ihn mögen.«
Blake nickte kurz und wandte sich wieder der Ausrüstung zu. »Weißt du, dass ich ein Kochbuch rausbringen werde?«
Ein abrupter Themenwechsel, aber ich machte mit. »Echt? Das ist ja toll.«
»Ja«, strahlte er. »Das hat sich aus meiner Sendung ergeben – hast du sie eigentlich gesehen? Lucy, das ist der Wahnsinn, das Beste, was ich je gemacht habe. Wir haben so viel von der Welt gesehen, sind mit so vielen Kulturen in Kontakt gekommen, und allein die Geschmäcker und Gerüche und Geräusche waren so inspirierend, dass ich sie jedes Mal, wenn ich heimgekommen bin, sofort nachmachen wollte.«
»Großartig, du hast schon immer gern
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