Ein Moment fürs Leben. Roman
Bett ging es ins Badezimmer. Das war so ziemlich alles. Nicht dass es mir zu klein war und ich mich deswegen schämte. Nein, es war eher der Zustand meiner Wohnung, der mir etwas ausmachte. Der Boden war mein Schrank geworden. Ich stellte mir meine überall verstreuten Habseligkeiten gern als Trittsteine vor, mein gelber Ziegelstein-Zauberweg, etwas in dieser Art. Der Inhalt des Kleiderschranks meiner schnieken Penthouse-Wohnung von damals brauchte mehr Platz, als das ganze neue Studioapartment zu bieten hatte, und deshalb hatten meine Schuhe, von denen ich ohnehin zu viele besaß, nun eine Heimat auf dem Fensterbrett gefunden, meine Mäntel und längeren Kleider hingen auf Bügeln rechts und links an der Vorhangstange, und ich schob sie, je nach dem Stand von Sonne oder Mond, hin und her wie richtige Vorhänge. Den Teppich habe ich bereits beschrieben, die Couch beanspruchte den gesamten Wohnbereich vom Fensterbrett bis zur Küchenarbeitsplatte, so dass man von hinten über die Lehne klettern musste, weil man nicht um sie herumgehen konnte. In diesem Chaos konnte mir mein Leben unmöglich einen Besuch abstatten. Die Absurdität dieser Situation war mir allerdings durchaus bewusst.
»Mein Teppich wird gerade gereinigt«, sagte ich und seufzte, als wären die damit verbundenen Unannehmlichkeiten kaum zu ertragen. Eigentlich war es nicht mal eine richtige Lüge. Mein Teppich musste wirklich gereinigt werden, dringend sogar.
»Also, da kann ich Ihnen die
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empfehlen«, sagte die Frau vergnügt, als hätte sie flugs zur Werbepause umgeschaltet. »Mein Mann hat die Angewohnheit, seine Stiefel im Wohnzimmer zu putzen, und die
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kriegen die schwarze Schuhcreme immer problemlos wieder raus, unglaublich. Mein Mann schnarcht, und wenn ich nicht vor ihm einschlafe, dann kann ich es ganz vergessen, und dann schaue ich mir immer diese Werbesendungen an, und eines Nachts habe ich einen Spot gesehen, in dem ein Mann seine Schuhe auf einem weißen Teppich putzt, genau wie meiner, und so bin ich auf die
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gekommen. Wie für mich gemacht. Sofort war der Fleck weg, und ich hab sie gleich beauftragt. Und die arbeiten einwandfrei.
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, schreiben Sie es sich auf.«
Sie erzählte das so eindringlich, dass ich auf einmal den Wunsch verspürte, schwarze Schuhcreme zu kaufen, um diese magischen Teppichreiniger aus der Werbung zu testen, und ich kramte tatsächlich nach einem Stift, der allerdings gemäß dem Stiftgesetz von anno dazumal nirgends in Sichtweite war, wie immer, wenn ich ihn brauchte. Immerhin lag ein Edding da, und ich schaute mich nach einem Zettel um, aber da ich keinen finden konnte, schrieb ich auf den Teppich, was mir ganz angemessen erschien.
»Warum sagen Sie mir nicht einfach, wann Sie Zeit für ein Treffen haben, dann können wir uns das ganze Hin und Her sparen.«
Meine Mutter hatte für Samstag ein Familientreffen anberaumt.
»Schauen Sie, ich weiß, wie wichtig es ist, dass ich von meinem Leben eingeladen worden bin, deshalb würde ich mich sehr gern am Samstag mit ihm verabreden, obwohl ich eigentlich zu einem Familientreffen muss.«
»O Schätzchen, ich mache mir sofort eine Notiz, dass Sie bereit waren, auf einen Tag mit Ihren Lieben zu verzichten, nur um sich mit Ihrem Leben treffen zu können, aber ich denke, Sie sollten sich die Zeit für Ihre Familie unbedingt nehmen, denn wer weiß, wie lange Sie alle noch vollzählig zusammen sein werden. Wir machen dann einfach einen Termin für den nächsten Tag. Sonntag. Ist das nicht eine gute Lösung?«
Ich stöhnte. Aber nicht laut, nur innerlich – ein langgezogener gequälter Laut, der von einem gequälten Ort tief in meinem Innern ausging. Und so wurde der Termin vereinbart. Am Sonntag würden wir uns treffen, unsere Wege würden sich kreuzen und die Dinge sich von Grund auf ändern. Jedenfalls hatte ich in einem Zeitschriften-Interview mit einer Frau, die ihrem Leben begegnet war, gelesen, dass man mit so etwas rechnen musste. Für ungebildete Leserinnen, die sich so etwas nicht vorstellen konnten, gab es zur Veranschaulichung Vorher-Nachher-Fotos. Interessanterweise hatte die Frau, bevor sie ihrem Leben begegnet war, die Haare nicht gestylt, danach aber schon; vorher hatte sie weder Make-up noch Selbstbräuner aufgelegt, aber danach. Vorher hatte sie sich in Leggins und einem Mickymaus-T-Shirt unter grellem Licht fotografieren lassen, danach präsentierte sie sich in einem
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