Ein Moment fürs Leben. Roman
mit der Nummer fünf. Mein Leben sah mich fragend an.
»Das fünfte Element«, erklärte ich.
»Und das ist … die Liebe?«
»Wie romantisch«, sagte Melanie. »Leider nein.« Sie stieß die Tür auf und zwinkerte ihm zu. »Das fünfte Element ist der Alkohol.«
In einem riesigen Champagnerglas posierte eine Gogo-Tänzerin mit Nippelquasten und ansonsten – soweit ich sehen konnte – ohne Klamotten, es sei denn, sie waren in der Po-Ritze verschwunden. Ich hatte fest damit gerechnet, dass Melanie gleich mit ihrer DJ -Arbeit beginnen würde und das Gespräch sich bestenfalls auf belanglose, mühsam von den Lippen abgelesene Ein-Wort-Sätze reduzieren würde, aber es war noch früh, und ihr Set begann erst nach zwölf. Also setzten wir uns an einen Tisch, und Melanie nahm mein Leben ins Verhör.
»Woher kennt ihr zwei euch denn?«
»Wir arbeiten zusammen«, antwortete ich.
Er sah mich an, und in Gedanken hörte ich ihn sagen:
Denk an unsere Abmachung!
»Na ja, mehr oder weniger.«
»Du arbeitest auch bei
Mantic
?«, wandte sich Melanie direkt an mein Leben.
»Nein.« Er starrte mich an.
Für jede Lüge eine Wahrheit.
»Nein«, lachte ich. »Er arbeitet da nicht. Er … er ist … äh … er ist … von außerhalb«, sagte ich und sah mein Leben an, ob er diese Version billigte, denn es war ja eigentlich nicht gelogen. Ich sah, wie er es sich durch den Kopf gehen ließ.
Dann nickte er mir zu, sah mich aber mit einem Blick an, der bedeutete:
Du stehst auf dünnem Eis.
»Cool«, sagte Melanie und sah ihn an. »Aber woher kennt ihr euch denn nun?«
»Er ist mein Cousin«, platzte ich heraus. »Er ist krank. Todkrank. Er verbringt den Tag mit mir, weil er einen Artikel über moderne Frauen schreiben will. Das ist sein letzter Wunsch.« Ich konnte einfach nicht anders.
»Ihr seid verwandt?«, fragte Melanie überrascht.
Mein Leben begann zu lachen. »Von dem ganzen Zeug, das sie da erzählt hat, überrascht es dich am meisten, dass wir verwandt sind?«
»Na ja, ich dachte, ich würde ihre ganze Verwandtschaft kennen.« Leiser fügte sie hinzu: »Aber das ist ja schrecklich – du bist Journalist! Sonst alles einigermaßen klar?« Mein Leben und Melanie lachten. »Ach komm, ich bin schon mein ganzes Leben lang mit Lucy befreundet, ich merke, wenn sie lügt.«
Leider irrte sie sich da gründlich.
»Du kannst es einfach nicht lassen, stimmt’s?«, sagte mein Leben zu mir. »Okay, jetzt bin ich dran.« Er beugte sich zu Melanie, und ich machte mich auf alles gefasst. Sie lächelte und wandte sich ihm kokett zu. »Lucy mag deine Musik nicht«, sagte er und lehnte sich wieder zurück.
Melanies Lächeln verblasste langsam, und sie lehnte sich ebenfalls zurück. Ich vergrub den Kopf in den Händen.
Mein Leben sah mich an. »Ich glaube, ich hole uns mal was zu trinken. Lucy?«
»Mojito«, sagte ich durch meine Finger.
»Für mich auch«, kam von Melanie.
»Gut.«
»Sag ihnen, sie sollen es auf meine Rechnung setzen«, sagte Melanie, ohne ihn anzusehen.
»Schon okay, ich kann es als Spesen abrechnen«, sagte er und wanderte davon.
»Wer ist denn dieser fiese kleine Mann?«, fragte Melanie.
Ich wand mich. Wie sollte ich ihr das jetzt erklären? »Melanie, ich hab nie gesagt, dass ich deine Musik nicht mag, ich hab nur gesagt, dass ich sie nicht verstehe. Was nicht das Gleiche ist. Sie hat manchmal Beats, also so rhythmische Sachen, die ich einfach nicht erkenne.«
Sie sah mich an, blinzelte einmal und fragte dann erneut: »Lucy, wer ist dieser Mann?«
Ich versteckte wieder mein Gesicht in den Händen. Das war meine neue Methode. Wenn ich nichts sehen konnte, dann konnte ich auch nicht gesehen werden. Schließlich kam ich aber doch wieder aus meinem Versteck hervor, weil ich Luft holen musste, legte mein Telefon neben mich auf den Tisch und sah zur Rückenstärkung in Dons Augen. »Na gut, hier kommt die Wahrheit. Dieser Mann ist mein Leben.«
Sie riss die Augen auf. »Das ist aber romantisch!«
»Nein, ich meine, er ist wirklich mein
Leben
. Ich hab vor einer Weile von der Lebensagentur einen Brief gekriegt, dass ich mich mit ihm treffen soll. Und das ist er nun, mein Leben.«
Melanie sperrte Mund und Nase auf. »Du verarschst mich!
Das
ist dein Leben?«
Instinktiv drehten wir uns beide zu ihm um. Er stand auf Zehenspitzen an der Bar und versuchte zu bestellen. Ich wand mich erneut.
»Er ist … wow, na ja, er ist …«
»Erbärmlich«, beendete ich den Satz für sie. »Du hast mein
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