Ein Moment fürs Leben. Roman
was du nicht gewollt hättest, das schwöre ich. Sie hat sich Sorgen um dich gemacht.«
»Na klar.« Dann kam ihr ein anderer Gedanke. »Wie lange machst du deinen Job jetzt eigentlich schon?«
»Zweieinhalb Jahre«, murmelte ich. Mir war das alles unendlich peinlich – nicht nur, weil mein Leben anwesend war, sondern hauptsächlich, weil es überhaupt passierte.
»Dann hast du also seit zweieinhalb Jahren Kontakt mit ihr, Lucy, das ist unglaublich.« Melanie stand auf, machte ein paar ziellose Schritte, kam dann zum Tisch zurück, setzte sich aber nicht wieder. »Wie würdest du dich fühlen, wenn ich die letzten zweieinhalb Jahre ohne dein Wissen Kontakt mit einem deiner Exfreunde gehabt hätte, während du selbst seit der Trennung nichts mehr von ihm gehört hast? So oft hab ich mir überlegt, was Mariza wohl gerade macht oder wo sie ist, und du hast es die ganze Zeit gewusst und mir nichts davon gesagt. Wie würdest du dich fühlen, wenn ich dich so behandeln würde?«
Mein Leben sah mich an. Ich fühlte, dass er mich drängte, etwas zu sagen, etwas über Blake. Ich konnte auf keinen Fall riskieren, dass er irgendeine Wahrheit verkündete, nicht jetzt, nicht zu diesem Zeitpunkt. Aber ich konnte auch nicht lügen.
»Ich wäre auch total verletzt.« Ich schluckte. »Aber du sprichst auch die ganze Zeit mit Blake«, fügte ich zu meiner Verteidigung hinzu.
Sie sah mich an, als wäre ich beschränkt. »Blake ist doch was ganz anderes. Blake hat nicht einfach eines Tages entschieden, dein Herz mit Füßen zu treten und es in tausend kleine Einzelteile zu zerlegen.
Du
hast Blake verlassen. Also hast du keine Ahnung, wie ich mich fühle.«
Mein Leben durchbohrte mich mit Blicken. Sprich jetzt oder schweig für immer. Ich schwieg.
Melanie hielt inne, als wollte sie lieber nicht zu viel sagen. Aber das hatte sie längst. »Ich muss mal eine Minute raus zum Luftschnappen«, sagte sie, griff nach ihren Zigaretten, die auf dem Tisch lagen, und verschwand.
Ich sah mein Leben an. »Und – bist du jetzt glücklich?«
»Ein bisschen besser fühle ich mich jedenfalls, ja.«
»Je besser ich es für dich mache, desto mehr stoße ich andere Menschen vor den Kopf. Was hab ich davon?«
»Momentan nicht viel, aber auf lange Sicht wird es sich lohnen. Die anderen müssen dich ja erst mal kennenlernen.«
»Die kennen mich doch.«
»Du kennst dich ja nicht mal selbst, wie kannst du es dann von anderen erwarten?«
»Sehr philosophisch.« Ich griff nach meiner Handtasche.
»Wo willst du hin?«
»Nach Hause.«
»Aber wir sind doch grade erst gekommen.«
»Sie will mich hier nicht mehr sehen.«
»Das hat sie nicht gesagt.«
»Das braucht sie auch nicht.«
»Dann mach es wieder gut.«
»Wie denn?«
»Indem du bleibst. Das hast du noch nie getan.«
»Und was soll ich tun?«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Tanzen.«
»Ich tanze nicht mit dir.«
»Ach, komm schon.« Er stand auf, packte meine Hand und zog mich von der Bank. Ich wehrte mich, aber er war stark.
»Ich tanze nicht«, protestierte ich noch einmal und versuchte mich loszureißen.
»Früher hast du getanzt. Mit Blake hast du zwei Jahre in Folge den Dirty-Dancing-Wettbewerb gewonnen.«
»Na ja, jetzt tanze ich aber nicht mehr. Und es tanzt hier doch auch sonst niemand, wir würden uns nur zum Affen machen. Und mit dir werde ich ganz bestimmt kein Dirty Dancing versuchen.«
»Tanz einfach, als würde keiner zuschauen.«
Natürlich glotzten alle, einschließlich Melanie, die wieder hereingekommen war, im Schatten stand und uns nicht aus den Augen ließ. Aber obwohl sie sauer auf mich war, spürte ich, wie sich eine Last, von deren Existenz ich nichts gewusst hatte, von meinen Schultern löste, nur weil ich die Wahrheit gesagt hatte. Mein Leben tanzte wie John Travolta in
Pulp Fiction
, wie ein betrunkener Onkel bei einer zweifelhaften Hochzeit, aber er war glücklich, und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Also legte ich die passende Uma-Thurman-Imitation hin und tanzte mit meinem Leben, als würde uns niemand zuschauen. Am Ende des Abends waren wir die Letzten auf der Tanzfläche, und wir verließen den Club ebenfalls als Letzte. Mein Leben konnte sehr überzeugend sein, denn wenn das Leben wirklich weiß, was es will, dann bekommt es das auch.
Kapitel 15
»Erzähl mir doch mal was über deinen Dad«, sagte mein Leben am nächsten Morgen. Wir saßen auf einer Parkbank, tranken Kaffee aus Pappbechern und sahen MrPan zu, der einen
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