Ein Moment fürs Leben. Roman
glücklich, dass ich die Wahrheit gesagt hatte. »Wunderbar, Lucy«, lobte er mich.
»Das ist so cool! Darf ich dich mal in den Arm nehmen?« Ohne die Antwort abzuwarten, stürzte Melanie sich auf ihn, schlang ihre langen Gliedmaßen um ihn und drückte ihn an sich. Mein Leben schien unter ihrer Zuwendung dahinzuschmelzen und schloss andächtig die Augen. »Moment mal«, sagte Melanie und rückte wieder weg. »Ich muss unbedingt ein Foto machen.« Sie kramte in ihrer Tasche nach ihrem Handy, schmiegte sich erneut an mein Leben und drückte ab. Mein Leben lächelte, und seine senfgelben Zähne fielen neben Melanies leuchtend weißem Gebiss besonders auf. »Für Facebook. Also – Lucy hat gerade erzählt, dass sie auf ihrem Lebenslauf geschwindelt hat«, grinste sie und machte sich bereit für ein bisschen Klatsch und Tratsch, den Strohhalm fest zwischen den vollen, glänzenden Lippen.
»Echt?« Mein Leben sah mich an. Schon wieder beeindruckt. Ich erntete einen Pluspunkt nach dem anderen.
»Ja«, sagte ich und kratzte mich am Kopf. »Ich hab behauptet, ich könnte eine Sprache, die ich gar nicht kann«, stieß ich dann hervor und hoffte, dass wir darüber lachen und es dann vergessen könnten. Aber ich wusste, dass ich nicht so viel Glück haben würde.
Melanie warf wieder den Kopf in den Nacken und lachte. »Was denn für eine Sprache? Swahili oder so?«
»Nein.« Ich lachte gezwungen.
»Welche Sprache war es denn? Ehrlich, Cosmo, ich muss ihr jeden Wurm einzeln aus der Nase ziehen.«
»Spanisch.«
Jetzt verdunkelten sich ihre dunklen Augen ein bisschen mehr, aber sie lächelte immer noch, wenn auch weniger begeistert. »Du bist noch schlechter in Spanisch als ich?«
»Ja«, grinste ich und wünschte mir, ich könnte das Thema wechseln, aber es fiel mir nichts zu sagen ein, was nicht entweder an den Haaren herbeigezogen oder unpassend war.
»Aber was wäre gewesen, wenn du etwas auf Spanisch hättest machen müssen?«, fragte sie, und ich war sicher, dass sie mich nur auf die Probe stellen wollte.
»Musste ich ja.« Ich nahm einen Schluck von meinem Drink. »Die ganze Zeit. Unsere Gebrauchsanweisungen sind hauptsächlich auf Deutsch, Französisch, Niederländisch und Italienisch.«
»Und auf Spanisch«, fügte Melanie hinzu und musterte mich.
»Und auf Spanisch«, bestätigte ich.
Sie saugte an ihrem Strohhalm, sah mir dabei aber unverwandt in die Augen. »Und was hast du gemacht?« Allmählich dämmerte es ihr – vielleicht hatte sie aber auch längst begriffen. Oder ich war paranoid. Andererseits wusste ich ja schon, dass meine Paranoia meist auf Intuition beruhte, also war ich auf jeden Fall in Schwierigkeiten.
»Ich hab mir Hilfe geholt.«
Mein Leben sah zwischen uns hin und her, ahnte wohl, dass etwas im Busch war, wusste aber nicht, was. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn er sein iPhone herausgeholt hätte, um dort die Antwort nachzuschauen, aber er tat es nicht, sondern saß die Sache höflich aus.
»Von wem?«, fragte Melanie. Ganz ruhig. Angespannt. Als würde sie nur noch auf die Bestätigung ihres Verdachts warten.
»Melanie, es tut mir leid.«
»Es braucht dir nicht leidzutun, beantworte einfach meine Frage«, sagte sie kühl.
»Die Antwort ist, ich habe mir Hilfe geholt, und es tut mir leid.«
»Du hast Mariza gefragt.«
»Ja.«
Völlig geschockt starrte sie mich an. Obwohl sie es geahnt hatte, wollte sie es nicht wahrhaben. Ich rechnete fast damit, dass sie mir ihren Drink ins Gesicht schütten würde, aber dann ließ die Wut nach, und sie sah einfach nur zutiefst gekränkt aus. »Du hattest Kontakt mit Mariza?«
Mariza war die Liebe ihres Lebens, die ihr das Herz gebrochen hatte, und wir hatten alle den Auftrag, sie bis ans Ende unserer Tage zu hassen. Ich hatte das auch getan, bis sie mir eines Tages eine E-Mail geschickt und sich nach Melanie erkundigt hatte. Zuerst hatte ich mich so verhalten, wie man es von einer guten Freundin erwartet, war kühl distanziert und distanziert kühl geblieben und hatte ihr vorgelogen, dass es Melanie hervorragend ging. Aber als ich Mariza dann brauchte, hatte sich alles geändert.
»Es war nur ein ganz oberflächlicher Kontakt. Nur wegen der Übersetzungen, nichts Persönliches.«
»Nichts Persönliches?«
»Okay, vielleicht ein bisschen, sie hat mich immer nach dir gefragt. Ich hab ihr erzählt, dass du um die Welt reist, wahnsinnig erfolgreich bist und ständig interessante neue Leute kennenlernst. Aber ich hab nie etwas erzählt,
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