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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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studierte sie aufmerksam, doch hinterher war er sich immer noch nicht ganz sicher, was er gesehen hatte.
    Zum Schluss nahm er den vierten Umschlag zur Hand, um sich zu vergewissern, dass er leer war. Er
war
leer. Doch als er sich anschickte, den Raum zu verlassen, merkte Dalziel, dass dieser es nicht mehr war.
    Mavis Uniff stand an der Tür und beobachtete ihn gespannt. So reglos stand sie da, dass sie den Eindruck erweckte, sie könne schon die ganze Zeit da gewesen sein, und Dalziel musste sich Stück für Stück in Erinnerung rufen, was er seit Betreten des Zimmers getan hatte, um sich zu überzeugen, dass dem nicht so gewesen war.
    »Hallo«, sagte er. »Ich habe Ihren Bruder gesucht.«
    »Er ist unten am See. Kann ich Ihnen helfen?«
    »Nein, da gibt’s nichts zu helfen. Er hat mir heute Morgen ein paar Fotos gezeigt«, er hielt den leeren Umschlag in die Höhe.
    »Ja. Die von mir.«
    »O nein. Das war – na ja …«
    »Ich«, sagte sie ruhig. »In Nahaufnahme.«
    »Heiliger Strohsack«, sagte Dalziel. »Sie meinen, Sie haben eine Tätowierung?«
    »Nein. Aber wir arbeiten mit Fototransfers. Die Erotikheftchen haben’s gern ausgefallen. Mehr ist da nicht dran, Mr. Dalziel. Nur ein Geschäft. Nichts Inzestuöses.«
    Dalziel sah sie an und schüttelte den Kopf.
    »Schockiert, Mr. Dalziel?« Sie war gelassen wie immer, betrachtete ihn aber aufmerksam.
    »Kaum. Ein bisschen überrascht. Wo sind die Fotos?«
    »Verbrannt«, sagte sie und deutete auf den Kamin.
    »Warum denn?«
    »Hank hat sich Sorgen gemacht, Sie könnten sich Ihrer Bürgerpflichten erinnern und mit der örtlichen Polizei sprechen. Das war es ihm nicht wert, eine Auseinandersetzung wegen ein paar Bildern, die er jederzeit wieder machen kann. Also hat er sie aus Sicherheitsgründen verbrannt.«
    »Ich hatte ihm doch gesagt, dass die mir wurscht sind.«
    »Ja, ich weiß. Anscheinend haben Sie aber Ihre Meinung geändert.«
    Sie wandte sich um und ging. Als Dalziel die Tür erreicht, das Licht gelöscht und den Flur betreten hatte, war sie bereits verschwunden.
    Rasch rannte er hinunter in Herries Wohnzimmer, wo das Telefon stand. In einer Viertelstunde wollten Balderstone und Cross losfahren, um nach Lake House zu kommen.
    »Lassen Sie sich noch ein bisschen Zeit«, schlug Dalziel vor. »Ich muss noch was tun. Ach ja, und da gibt’s noch was, das Sie für mich rausfinden können.«
    Ehe er zurück nach oben ging, sah er aus dem Fenster. Bertie, Uniff, Papworth und Mavis standen in einem Grüppchen zusammen und sprachen ernsthaft miteinander.
    Tillotson saß allein im Kahn und blickte über den noch immer Hochwasser führenden See.
    Mit einem breiten Grinsen stieg Dalziel wieder die Treppe hinauf und klopfte an Bonnies Tür. Erst nach einer Weile rief sie: »Herein.«
    Sie saß vor ihrer Frisierkommode, als hätte sie sich da nicht weggerührt, seit er sie am Morgen verlassen hatte.
    »Tut mir leid, dass ich so spät komme«, sagte er.
    Sie lächelte ihn an, ein vorsichtiges, zögerliches Lächeln, nicht das große Strahlen.
    »Ganz allein?«
    »Bis wir einiges geklärt haben.«
    »Da bin ich ganz dafür.«
    Er zog sein Sakko aus und legte es aufs Bett.
    »Hast du was dagegen?«
    Sie sah mit einem ironischen Lächeln auf seine breiten, khakifarbenen Hosenträger und schüttelte den Kopf.
    »Na dann«, sagte er, setzte sich aufs Bett und begab sich auf eine komplizierte zweihändige Kratzexpedition seine Hosenträger entlang. »Klär mal los.«
    »Andy, hier ist etwas im Gange, von dem ich keine Ahnung habe.«
    Dalziel grunzte ungläubig.
    »Dann muss es wohl was Unterirdisches sein«, sagte er. Sie ignorierte ihn.
    »Ich sage dir, was ich weiß, wenn du mir sagst, was du weißt.«
    »Werfen wir eine Münze, um zu sehen, wer anfängt?«, fragte er.
    »Nein. Wenn du mitmachst, vertraue ich dir«, antwortete sie. »Dann fange ich an.«
    Dalziel hielt zwei Finger in die Höhe wie eine Pistole.
    »Auf die Plätze«, sagte er. »Peng.«
    »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll«, begann sie. »Es ist so ein Durcheinander. Also. Dieser Diebstahl. Ich nehme an, du weißt, dass das ganze Zeug wieder aufgetaucht ist? Nun ja, sie wollten dich heute Vormittag aus dem Haus haben, um alles in Ordnung zu bringen.«
    »Wer sind
sie?
«
    »Da bin ich mir nicht sicher. Bertie auf jeden Fall. Herrie sagte, er wolle in die Stadt, um das mit dem Geld in die Wege zu leiten, und ich habe ihm natürlich angeboten, ihn zu fahren. Aber Bertie sagte nein. Du solltest

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