Ein nasses Grab
Ist doch ein bisschen weit weg. Und nicht gerade ein Urlaubsort.«
Dalziel sagte es mit einem Lachen, eine Einladung an Papworth, sich mit ihm an der Absurdität der Vorstellung zu ergötzen.
»Ich bin da ein paarmal mit dem jungen Herrn Bertie hingefahren«, sagte Papworth. Die feudale Formulierung kam ihm nicht eben leicht über die Lippen.
»So, so. Als sein Kammerdiener?«, sagte Dalziel, der sich den Sarkasmus nicht verkneifen konnte. Doch anscheinend registrierte Papworth ihn gar nicht.
»Er hat da gearbeitet. Hatte keinen Wagen, und da habe ich ihn manchmal nach einem Besuch in Lake House mit dem Rover hingebracht und bin am nächsten Tag wieder zurück.«
»Und in der Nacht sind Sie zum Parken zur guten alten Annie gegangen«, ergänzte Dalziel zwinkernd.
»Genau.«
»Und das hat Ihnen so viel Spaß gemacht, dass Sie dachten,
warum eigentlich nicht?,
als sich die Gelegenheit ergab, ihr hier in Lake House einen Dauerparkplatz zu verschaffen. Aber um den Anstand zu wahren und sich nicht mit Referenzen herumschlagen zu müssen, sagten Sie, sie sei Ihre Tochter?«
»Sie sagen es. Dazu hätten Sie mich aber nicht wecken müssen, wenn Sie eh schon selbst auf alles draufgekommen sind.«
»Ich plaudere halt gern«, sagte Dalziel herzlich. »Also. Mal sehen. Wie lang war Bertie in Liverpool? Knapp über ein Jahr, glaube ich. Sagen wir fünfzehn Monate. Und Anfang dieses Jahres ist er zurückgekommen und fing mit dem Restaurantprojekt an. Wie oft kam er nach Hause, als er noch in Liverpool war? Jedes Wochenende? Einmal im Monat? Zweimal im Jahr?«
»Einmal im Monat, alle sechs Wochen, maximal«, sagte Papworth vorsichtig.
»Und Sie brachten ihn zurück und schoben ein paar Nummern mit Mrs. Greave. Das wären dann acht bis zwölf Nummern im vergangenen Jahr. Genug, um Sie auf den Geschmack zu bringen?«
»Ich hab nicht mitgezählt. Geht Ihnen da einer ab, bei diesen Fragen?«
»Nein. Nein«, antwortete Dalziel nachdenklich, »ich habe nur gedacht, wie fortschrittlich der Strafvollzug in Liverpool sein muss. Ganz anders als in Yorkshire, das kann ich Ihnen sagen, sonst würden manche da Schlange stehen.«
»Was meinen Sie damit?«
»Ich meine, dass Annie Greave letztes Jahr acht Monate im Knast verbracht hat, wenn Sie’s genau wissen wollen. Und wenn Sie jedes Mal bei ihr eingekehrt sind, wenn Sie unseren strammen Bertie zurückgebracht haben, dann müssen Sie schon ziemlichen Einfluss haben.«
Das war natürlich gelogen.
Verbrecher logen die ganze Zeit, und Dalziel sah nicht ein, warum dieses nützliche Privileg ihnen allein vorbehalten bleiben sollte.
Papworth hätte nur sagen müssen: Sie haben sie wohl nicht mehr alle!, und tatsächlich sah der Mann, während er sich eine seiner grässlichen Zigaretten drehte, ihn mit einem Ausdruck an, der aufrichtiger Verwirrung recht nahekam.
»Also?«, bohrte Dalziel.
Die Tür flog auf, und Bertie Fielding platzte herein.
»Hallo, Pappy«, sagte er. »Ich habe Sie schon gesucht. Ah, hier sind Sie, Dalziel. Das ist praktisch. Dann spare ich mir den Anruf bei Cross.«
»Wir führen gerade ein privates Gespräch, wenn es Ihnen nichts ausmacht«, knurrte Dalziel.
»In
Ihrem
Haus, mit
Ihren
Angestellten können Sie so viele private Gespräche führen, wie Sie wollen«, sagte Bertie. Dalziel bemerkte, dass der Jüngling sich offenbar sicher genug fühlte, es wie einen Scherz klingen zu lassen und nicht wie eine der Gemeinheiten, zu denen er fähig war.
»Pappy, jetzt, wo das Wasser sinkt, sollten wir unbedingt den unteren Teil des Rasens sauber machen. Der sieht nach der Flut verheerend aus. Ich habe Hank schon rausgeschickt, damit er sich seinen Unterhalt verdient, aber wir brauchen Ihre Erfahrung.«
»Gut«, sagte Papworth. »Ich komme.«
»Warten Sie!«, sagte Dalziel. »Ich bin noch nicht mit Ihnen fertig.«
»Ist das eine offizielle Vernehmung?«, erkundigte sich Bertie. »Worum geht es denn, Pappy?«
»Er fragt wegen Mrs. Greave. Irgendwas wegen so ’nem verschwundenen Zeug.«
Bertie lachte. Der Anblick seiner sanft bebenden weichen Fleischhülle flößte Dalziel Ekel ein. Zumindest in seinem Alter war ich nur Muskeln und Knochen, dachte er.
»Darum geht’s? Dann dürfen Sie Ihre Polizistenpflicht als erfüllt betrachten, Mr. Dalziel, Sir. Das war’s nämlich, weswegen ich Sergeant Cross anrufen wollte. Es war alles ein Missverständnis.«
»Was?«
»Ein Missverständnis. Hören Sie, es ist ein bisschen kompliziert, aber letzten Endes läuft
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