Ein nasses Grab
schlecht. Hat er einen Eimer?«
»Wie bitte?«
»Einen Nachttopf. Einen Pisspott. Etwas zum Hineinspucken. Wenn sie aufwachen und zu singen anfangen, heißt das normalerweise, dass sie demnächst losreihern.«
»Sie kennen sich aber gut aus«, lobte Tillotson.
»Das will ich meinen. Hab schließlich schon jede Menge Besoffene abgeschleppt.«
»Interessanter Geschmack«, bemerkte Tillotson. »Mrs. Fielding hat nach Ihnen gefragt. Sie ist in ihrem Zimmer und würde Sie gern sehen.«
»Gut. Bin gleich da. Helfen Sie auch draußen beim Aufräumen?«
»Wozu?«
»Na, nach der Überschwemmung. Damit’s hier wieder hübsch aussieht und die Kundschaft ihre Freude hat. Sie sollten schon ein bisschen auf Ihre Investition achtgeben, mein Sohn. Wie kommen die Bauarbeiter voran?«
»Oh, ganz gut vermutlich.«
»Gut. Sieht so aus, als hätten Sie doch recht gehabt«, sagte Dalziel herzlich. »Sie können rechtzeitig eröffnen.«
Tillotson zuckte die Achseln.
»Vermutlich«, sagte er und machte sich niedergeschlagen auf den Weg nach unten.
Was ist denn mit dem los?, fragte sich Dalziel. Wieder Krach mit Louisa, oder ist er nur unglücklich, weil sie ihn die vielen schönen Vögel nicht abknallen lassen?
Er verscheuchte den Gedanken an den jungen Mann und stieg leise die Treppe weiter hoch. Das Gespräch mit Bonnie würde noch eine Weile warten müssen. Vorher gab es noch etwas anderes zu erledigen. Alles, was er wusste, deutete zwar in eine Richtung, doch es empfahl sich stets, die Gegenprobe zu machen.
Uniffs Studio lag im Dunkeln, und er brauchte ein paar Sekunden, um den Lichtschalter zu finden. Die Fenster waren mit Doppelrollos verdunkelt, die dicht abschlossen und das Tageslicht fernhielten. Uniff musste noch bis vor kurzem hier gearbeitet haben.
Behutsam schlich Dalziel durch den Raum hinüber zur Trickfilmkamera. Er untersuchte sie, so gründlich dies möglich war, ohne sie zu berühren. Wenn es etwas gab, das er achtete, dann war es Fachkenntnis, und er hatte nicht den Wunsch, etwas zu tun, das den Aufbau möglicherweise in Unordnung brachte. Zu guter Letzt musste er aber doch ein paar Schrauben verstellen und die Kamera nach oben drehen, um zu finden, wonach er suchte. Einen hell polierten Strich im matten Metall der Bodenplatte.
Er machte sich nicht die Mühe, die Kamera in die ursprüngliche Position zurückzubringen, sondern spazierte tonlos pfeifend durch das Zimmer. Vor dem alten Kamin blieb er stehen und kniete sich hin. Etwas war da erst vor kurzem verbrannt worden. Er ließ die Asche durch seine Finger rieseln und stemmte sich dann vor Anstrengung ächzend wieder hoch.
Als Nächstes ging er zu dem Regal zwischen den Fenstern. Auf einem der Böden lagen vier braungelbe Umschläge, drei davon mit Fotos darin, der vierte war leer. Interessiert betrachtete er die Abzüge in jedem Umschlag. Die meisten Aufnahmen aus dem ersten waren in und um Lake House geknipst worden. Auf einigen war ein Mann zu sehen, den er nicht kannte, doch in dem lächelnden, selbstbewussten Gesicht waren genügend Ähnlichkeiten mit Hereward Fielding zu erkennen, dass er sich sicher sein konnte, den lieben verstorbenen Conrad vor sich zu haben.
Die Fotos im zweiten Umschlag dokumentierten die Beerdigung, wie der Sarg auf dem Stocherkahn befestigt wurde, die Wasserprozession, nebelig und gespenstisch in der regengesättigten Atmosphäre. Und dann eines von einer massiven, aber unheimlichen, teilnahmslos über eine Wasserwüste blickenden Gestalt am Ende einer halb unter Wasser stehenden Brücke. Es war ein ziemlicher Schock, als er sich selbst erkannte.
Dann kamen Bilder von der eigentlichen Beerdigung. Kein Wunder, dass der Vikar, der arme Teufel, sich aufgeregt hatte! Die Unzahl verschiedenster Aufnahmen und Winkel zeigte, dass Uniff herumgeschossen sein musste, als hätte er Hummeln im Hintern. Bei diesem Gedanken lachte Dalziel leise vor sich hin und sah in den nächsten Umschlag hinein.
Hier hatte sich zwar die Stimmung verändert, die Reihenfolge aber blieb gewahrt. Tillotson, der ins Wasser fiel, Dalziel, der ihn wutentbrannt daran hinderte, in den Kahn zurückzuklettern, Dalziel, der seinen triefenden Koffer inspizierte. Der Mann hat Talent, daran gibt es nichts zu rütteln, dachte Dalziel säuerlich. Als Nächstes kamen die Fotos, die bei der Preisverleihung entstanden waren. Ein grandioses Protokoll der fortschreitenden Wirkung von Alkohol. Doch Dalziel interessierte sich aus einem anderen Grund für sie. Er
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