Ein neues Leben auf dem Jakobsweg
Pilgerschaft, kennen gelernt. Obwohl wir seit Jahren im gleichen Ort leben. Hansi redet offen über Gott und seine Erfahrungen mit dem Glauben. Ein wundervoller Mensch.«
Der Name Hansi ließ mich erneut aufhorchen. Irgendetwas hatte es mit diesem Hansi auf sich. Vielleicht würde ich es ja noch erfahren. Yajaira erzählte uns, dass sie von den peruanischen Indianern abstamme.
Ich schaute in die Runde und sprach: »Ich habe das Gefühl, dass wir hier an diesem Abend zusammengeführt worden sind.« Während ich die Worte an die anderen richtete, erschien es mir noch klarer. Die drei schauten mich verwundert an. Keiner antwortete. Es war ein schöner Abend, der uns für die Unzulänglichkeiten der letzten Stunden voll und ganz entschädigte. Nun empfand ich Dankbarkeit, dass wir in Cizur Menor kein Bett bekommen hatten. Von diesem Tage an nahm ich mir fest vor, nicht gleich den Kopf in den Sand zu stecken, wenn es unangenehm werden würde, sondern das Beste aus der Situation zu machen und nach vorne zu schauen. Wenn der Kopf im Sand steckt, ist die Aussicht nicht berauschend. Nach dem Essen telefonierten Bernd und Yajaira mit ihren Kindern. Ich ging auf mein Zimmer und schlief mit neuen Erkenntnissen ein.
Wenn Du Vertrauen in dich und Deinen Weg entwickelt hast, dann bist du in der Lage, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein.
Paulo Coelho, Auf dem Jakobsweg
5 Du sollst aufmerksam sein
Am nächsten Morgen weckte mich Paula wie verabredet mit einem Klopfen an der Tür. Fünfzehn Minuten später stand ich vor dem Hostal neben Bernd und Yajaira, die ebenfalls abreisebereit waren. Nur Paula fehlte. Vergebens warteten wir. Bernd wurde ungeduldig und wollte los, mit oder ohne Paula. Der Bus würde nicht warten, selbst auf Peregrinos nicht. Als Paula endlich die Treppe herunterkam, fragte sie mich, was sie mit ihrem Zimmerschlüssel machen solle. Ich nahm ihn und legte ihn sichtbar auf eine Ablage neben die Tür. Im Eiltempo zogen wir los.
Paula nutzte die Wartezeit an der Bushaltestelle, um ihre Hose zu wechseln, was uns und die umstehenden Menschen in ungläubiges Staunen versetzte. Es dauerte nicht lange, bis der Bus erschien. Wir stiegen ein. Ich sagte scherzend zu Bernd und Yajaira: »Früher sind die Pilger noch zu Fuß gegangen, heute fahren sie mit dem Bus.« Wir mussten herzhaft lachen. Weil mein Sitz kalt war, legte ich mein Sweatshirt unter meinen empfindlichen Hintern. Als ich den Pilgerweg neben der Straße erblickte, wurde mir der gestrige Tag nochmals ins Gedächtnis gerufen. Die Rennerei hatte mir nicht das Geringste eingebracht.
In Cizur Menor stiegen wir aus und gingen zur Herberge, um unsere Pässe abstempeln zu lassen. Leider war niemand da. Ich nutzte die Gelegenheit für einen Toilettengang, um dann alleine in meinen nunmehr fünften Pilgertag aufzubrechen. Paula wartete in der Herberge, weil sie ihren schweren Rucksack mit einem Privatbus zur nächsten Herberge transportieren lassen wollte. Bernd und Yajaira waren schon aufgebrochen.
Obwohl viele Pilger an mir vorbeizogen, beunruhigte es mich nicht. Ich hatte mir fest vorgenommen, nicht mehr wegen eines Bettes zu rennen. Vereinzelte Pilger starteten morgens um fünf oder sechs, weil sie sichergehen wollten, in der nächsten Herberge ein Bett zu bekommen. Um die Mittagszeit standen sie vor der Herberge und nahmen einige Stunden des Wartens in Kauf, bis die Türen geöffnet wurden. Dies entsprach nicht meiner Pilgerphilosophie. Dabei ging der tiefe Sinn des Pilgerns verloren. Schnell fand ich heraus, dass sich viele an Tagesrouten hielten, die von Reiseführern empfohlen wurden. Deshalb versuchte ich nach Möglichkeit, für die Übernachtung kleinere Orte zu wählen, in denen ich nicht viele Pilger vermutete. Von nun an schloss ich folgende Worte in meine morgendlichen Gebete mit ein: »Lieber Gott, ich bete für alle Pilger, dass jeder ein Bett bekommt, sein Ziel erreicht und gesund bleibt.« Und da schließlich auch ich der Pilgerschar angehörte, war ich natürlich mit eingeschlossen. Ich hatte mir fest vorgenommen, mehr Vertrauen an und in den Tag zu legen. Mit diesem Gedanken fühlte sich gleich alles viel leichter an.
Es war kühl und windig. Dunkle Wolken begleiteten meinen Weg. Kurz vor dem Pass del Perdón traf ich auf Bernd und Yajaira, die eifrig am Fotografieren waren. Ich erzählte ihnen von meinem Plan, die Nacht in Obanos und nicht in Puente la Reina verbringen zu wollen. Die beiden waren sich noch nicht
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