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Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Titel: Ein neues Leben auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manolo Link
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Weinen verfiel. Es war ein schönes Weinen, das meine Glückseligkeit beschrieb. Ich gehe auf den Tränen vieler, unendlich vieler Pilger. Ich gehe mit der Liebe, Kraft und Spiritualität meiner Vorgänger.
    Links und rechts des nunmehr breiten Feldweges zeugten knorrige Weinstöcke, die wie erhabene Greise wirkten, von fruchtbaren Zeiten. Ich war glücklich mit mir und dem Weg. Seit ich Angelika, meine vor Jahren verstorbene Frau, kennen gelernt hatte und mit ihr das Leben genossen hatte, war ich nicht mehr so glücklich gewesen.
    Schon beim ersten Blick auf die Kirche von Santa Maria de Eunate empfand ich sie als außergewöhnlich. Glücklicherweise befanden sich nicht viele Menschen in dem romanischen Gotteshaus, dessen achteckige Form eine Templerkirche vermuten ließ. Ehrfürchtig betrat ich die Kirche. Leise klassische Musik nahm mich in Empfang. Ich ging langsam zur ersten Bank, kniete mich nieder und betete. Während des Betens legte sich ein anmutiges Gefühl auf mein Herz. Ein Gefühl des absoluten Friedens.
    Nachdem ich mein Gebet beendet hatte, öffnete ich die Augen und setzte mich auf die Bank. Mein Blick fiel auf das Gesicht der Marienstatue mit dem Jesuskind, die sich wenige Meter vor mir hinter dem Altar befand. Ich wusste nicht mehr, wie lange meine Augen auf ihr verweilten. Es hätten Minuten, Stunden oder auch Jahre sein können. Jegliches Zeitgefühl war mir abhanden gekommen. Irgendwie fühlte ich mich wie weggetragen von dieser Welt. Dieses Gefühl war reine Wonne. Ich hätte viel dafür gegeben, es festhalten zu können. Ich hätte alles dafür gegeben, um diese Wonne bis an mein Lebensende innezuhaben. Beim Betreten der Kirche war ich erschöpft. Mit neuen Kräften und einer andächtigen Stimmung verließ ich den heiligen Ort. Es war etwas mit mir geschehen. Gehen sie nach Eunate.
    Neben der Kirche befand sich eine kleine Herberge, vor der ein kleiner Tisch stand, auf dem Stempelkissen und Stempel lagen.
    Ich nutzte die Gelegenheit und fügte meinem Pilgerpass einen weiteren Stempel zu, auf dem die Kirche von Eunate in einer Jakobsmuschel dargestellt ist.
    Vergnügt meinem Tagesziel zustrebend, wanderte ich singend weiter. Ein junger Mann gesellte sich zu mir. »Where are you from?«, fragte ich ihn.
    »I'm from Germany.«
    »Dann können wir deutsch miteinander reden«, entgegnete ich. Wir mussten beide lachen.
    »Wie weit gehst du heute?«, fragte ich ihn.
    »Bis Puente la Reina, und du?«
    »Ich gehe nach Obanos.«
    »Und wo kommst du her?«
    »Ich bin am Somportpass gestartet. Mir sind nur wenige Pilger begegnet.«
    »In Puente la Reina wirst du auf viele treffen. Im Kloster von Roncesvalles habe ich mit 120 anderen Pilgern übernachtet.«
    In Obanos treffen der Aragonische und der Französische Pilgerweg aufeinander. Der Aragonische Weg, mit einer Länge von 176 Kilometern, hat seinen Ursprung am Somportpass und wird lediglich von wenigen Pilgern aufgesucht.
    Nach einem kleinen Anstieg erreichten wir Obanos. Ich war froh, als ich die Herberge betrat. Der Herbergsvater bot mir einen Stuhl an, nahm meinen Pilgerpass entgegen und schrieb die Daten in sein Buch. Wie aus heiterem Himmel stand plötzlich Yajaira neben mir. »Hallo Mano, wir sind deiner Empfehlung gefolgt.«
    »Yajaira, das ist ja eine Überraschung, dich hier anzutreffen. Wo ist Bernd?«
    »Er hat sich ein wenig hingelegt.«
    Sie drückte mich herzlich. Mit dem Herbergsvater und Yajaira ging ich in den Schlafraum, der auf mich einen hervorragenden Eindruck machte. Bernd, der seine Ruhepause beendet hatte, kam mir entgegen.
    »Hallo Bernd, wie geht’s?«
    »Nicht so gut, meine liebe Frau hat mir beim Aufstechen einer Blase bis auf die Knochen gestoßen. Und das tut höllisch weh.« Ich schaute Yajaira an, die ihre Augen verdrehte und ihren Blick von Bernd bewusst fernhielt.
    »Warst du in Eunate?«, fragte mich Bernd.
    »Ja, ich war dort. Es war wundervoll. Als ich die Kirche betrat, war ich erschöpft, als ich sie verließ, fühlte ich neue Kräfte in mir.«
    »Wir haben uns fest vorgenommen, auch nach Eunate zu gehen«, meinte Bernd mit schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck.
    »Wenn du in der Kirche warst, geht es deinem Fuß bestimmt besser«, tröstete ich ihn.
    Bernd versuchte zu lächeln, was ihm nicht so recht gelingen wollte.
    Die Herberge war fast leer. Wenn es irgendwie möglich war, wählte ich das untere der Doppelbetten. Es gab Betten, die schmal und zudem noch sehr hoch waren, was mir kein gutes Gefühl vor dem

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