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Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Titel: Ein neues Leben auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manolo Link
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erblickten von einer Anhöhe Santo Domingo de la Calzada. Zum Namen Santo Domingo fiel mir eines meiner Lieblingslieder ein, das ich anstimmte: »Und am Abend träumen sie von Santo Domingo, von dem Märchen einer Nacht in Santo Domingo ...«. Alice und Inge stimmten ein. Ich glaube, dass wir ein außergewöhnlich schönes Bild abgegeben haben, als wir händchenhaltend und singend auf Santo Domingo zuwanderten. Ich machte mir Gedanken wegen Inges Bein, das ihr sichtlich Schmerzen bereitete, und empfahl ihr Wanderstöcke, weil ich wusste, wie wertvoll und entlastend sie für Gelenke, Füße und Rücken waren. Ich gab ihr meine zum Testen, damit sie ein Gefühl dafür bekommen konnte. Inge war begeistert und entschloss sich, in Santo Domingo eigene zu erwerben, falls sie nicht zu teuer sein sollten. So betraten wir die alte Stadt, die als Gründungsdatum das Jahr 1.044 angibt, als der Heilige Domingo de Viloria sich dort niederließ. Er ließ eine Brücke über den Fluss Oja sowie ein Pilgerhospital und eine Pilgerherberge errichten. Heute befindet sich im Gebäude dieser Herberge das staatliche Luxushotel Parador. Inge ging gleich in die erste Herberge, die wir erreichten. Sie wollte ihrem Bein nicht noch mehr zumuten. Wir wünschten ihr das Allerbeste für ihren weiteren Weg und baldige Genesung ihrer Gelenke. Unmittelbar neben der Kathedrale fanden Alice und ich ein altes Restaurant, in dem wir einen hervorragenden Café con leche und ein Spitzen-Bocadillo erhielten.
    Während ich mich an Speis und Trank erfreute, forderte mich mein Gefühl auf, in Santo Domingo zu übernachten und nicht weiterzugehen. Ich schaute auf die Uhr. Eins, der Tag ist noch jung. Einige Kilometer könnte ich noch bewältigen. Lottis Karte kam mir in den Sinn: »Du sollst aufmerksam sein.« Meine innere Stimme gab mir deutlich zu verstehen: »Bleibe in Santo Domingo!« Alice wollte weiter, ihr waren 16 Kilometer zu wenig.
    Wir nahmen zum vierten oder fünften Mal Abschied. Weder sie noch ich wussten, ob wir uns jemals wiedersehen würden. Nicht selten verabschiedeten sich Pilger des Öfteren und begrüßten sich irgendwann in den Weiten Nordspaniens wieder voller Freude. Doch es konnte durchaus ein Abschied für immer sein, was für meine Gefühlswelt nicht einfach war. Deshalb ging ich auch an diesem Tag mit gemischten Empfindungen zum Zisterzienserkloster, in dem die Nonnen eine Herberge eingerichtet hatten. Beim Betreten des Klosters aus dem 17. Jh. musste ich lachen. Nun gehe ich ins Kloster. Kolossale graue Gemäuer, die mich in ein fremdes Zeitalter zurückversetzten, verbreiteten eine geheimnisvolle Atmosphäre. Eine ältere, kleine Nonne drückte mir einen Stempel in meinen Pilgerpass und wies mir ein Bett in einem schlichten, einfachen Sechsbett-Zimmer zu, in dem sich lediglich Betten und ein Stuhl befanden. Zwischen den Betten war kein Zentimeter Platz, sodass ich meinen Rucksack in einem anderen Raum abstellen musste. Ein schlafender Pilger gab mir mit seinen Schnarchkünsten schon mal einen Vorgeschmack auf das, was mich in der Nacht erwarten würde.
    Im Innenhof fand ich nach dem Duschen ein ruhiges Plätzchen, legte meine Füße auf einen vor mir plazierten Stuhl und gab mich den Eintragungen in meinem Tagebuch hin. Auf einem weitläufigen Balkon, der sich einige Meter über mir befand, erblickte ich einige junge Nonnen, die mit einem überdimensional großen bunten Ball voller Begeisterung Fußball spielten. Die jungen Ordensschwestern genossen sichtlich vergnügt ihren Freizeitvertreib. Es dauerte nicht lange, bis der Ball vor meine Nase fiel. Sehr wahrscheinlich hat eine Nonne ihre Steilflanke in den freien Raum falsch berechnet, was bei Fußballprofis ja schließlich auch keine Seltenheit ist, dachte ich, als ich meinen Kopf hob und einer farbigen, grinsenden Ordensfrau ins Gesicht sah. Ich stand auf, nahm den Ball und warf ihn ihr zu. Fangsicher war sie. Verlegen kichernd bedankte sich die junge Frau. Ich setzte mich wieder hin und folgte interessiert dem anscheinend wichtigen Fußballmatch. Vielleicht handelt es sich um ein Viertel- oder Halbfinale, das mit großem Einsatz ausgefochten wird.
    Weil mir mein Bart zu lang erschien und er zudem hin und wieder Juckreiz auslöste, beschloss ich, zum Frisör zu gehen. Schweren Herzens verließ ich die Arena der Fußball spielenden Nonnen, zog mich im Schlafraum um und ging in die Stadt. An einem Frisörsalon las ich, dass dieser gegen halb fünf seinen Gästen wieder Einlass

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