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Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Titel: Ein neues Leben auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manolo Link
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mit Alice auf den Weg zur Bar, die keine Konkurrenz zu fürchten hatte, weil es nur die eine in Ventosa gab. Mit alten Holzstühlen und Tischen war sie schlicht und einfach eingerichtet. Ich mochte solcherlei Bars, in denen lediglich Einheimische verkehrten, wenn sich nicht gerade ein paar Pilger unter sie mischten.
    An einem Ecktisch entdeckte ich die Pilgerin, die ihr Nachtlager über meinem Bett eingerichtet hatte. Sie bat uns spontan an ihren Tisch. Die Speisekarte bestand aus sechs Bildern, auf denen das Essen abgebildet war. Wir bestellten Salat, Pommes mit Spiegelei, Wein und Wasser. An diesem Abend genehmigte ich mir den ersten Tropfen Wein auf dem Jakobsweg. Ich war der festen Überzeugung, dass er meinem Körper gut tun würde. Manch ein Pilger nannte den Rotwein das Benzin der Peregrinos. Im Laufe des Abends fanden sich weitere Pilger ein, unter ihnen die Österreicherin, die in Mexiko lebte. Sie packte spontan mit an, als sie feststellte, dass die gute Wirtin Hilfe bei der Bedienung gebrauchen konnte.
    Die Frau an unserem Tisch erzählte, dass sie 62 Jahre alt sei und lediglich ein Körpergewicht von 43 Kilogramm aufweise. Ein Phänomen, dachte ich. Ich zollte ihr meinen Respekt und erzählte, dass an mir schon einige Frauen von zarter Gestalt vorbeigezogen seien, deren Kraft und Ausdauer ich uneingeschränkt bewunderte. Ihr Mann erwähnte beiläufig, dass er für die kommende Nacht kein Bett bekommen hätte und auf einer Matratze im Aufenthaltsraum schlafen müsse. Ich bot ihm mein Bett an, zumal seine Frau über mir schlief. Er bedankte sich, lehnte mein Angebot allerdings ab. Nach dem Essen schlenderte ich noch ein wenig durch Ventosa, bevor ich mich ins Bett legte und in einen tiefen Schlaf sank. Beim Frühstück am nächsten Morgen brachte mir die nette Österreicherin zu meiner Überraschung Geschirr und Besteck an den Tisch. Meinen Einwand, dass ich mir die Dinge doch selbst besorgen könne, weil ich schließlich Pilger sei, wies sie mit einem Lächeln zurück. Sie hatte den Entschluss gefasst, für einige Zeit in der Herberge zu bleiben und zu helfen. Gegen halb acht machte ich mich auf. Während des Gehens stellte ich fest, dass selbst mein tiefer Schlaf die Müdigkeit nicht aus meinem Körper hatte vertreiben können. Wie aus heiterem Himmel war plötzlich die hübsche junge Frau, die ich beim Schuhputzen in Logroño kennen gelernt hatte, an meiner Seite.
    »Wo kommst du denn her?«, fragte ich sie verwundert.
    »Ich habe in Ventosa übernachtet.«
    »Ich ebenfalls, habe dich allerdings dort in der Herberge nicht gesehen.«
    »Ja, seltsam, ich dich auch nicht.«
    Ein kleines Stück des Weges legten wir gemeinsam zurück. Sie ging schneller und verabschiedete sich bald. Die Frau gefiel mir. An diesem Tag musste ich glücklicherweise keine Steigungen bewältigen, was meine müden Knochen recht gut fanden. Irgendwann war Alice, die nach mir gestartet war, wieder neben mir.
    Azofra begrüßte uns mit einer neuen Herberge und zahlreichen Pilgern, die dort schon eine Warteschlange gebildet hatten. Beim Öffnen der Herberge strömten alle zur Tür. Ich blieb sitzen, weil ich diese Situation nicht mochte, und ließ mir, nachdem alle eingecheckt hatten, eines von zwei Betten im Zimmer mit der Nummer 13, die nicht zu meinen Glückszahlen gehörte, zuweisen. In dem kleinen Raum breitete ich meinen Schlafsack auf dem Bett aus, stellte meinen Rucksack in den Wandschrank und ging unter die Dusche, in der Hoffnung, dass ein Nichtschnarcher das Bett neben dem Meinen belegen würde. Am späten Nachmittag trat ein junger Mann ins Zimmer.
    »Hallo, ich bin Michael«, begrüßte er mich freundlich und streckte mir seine Hand entgegen.
    »Hallo, ich bin Mano.«
    »Die junge Frau an der Rezeption hat mich gefragt, ob ich zu einem Deutschen aufs Zimmer möchte. Natürlich wollte ich.« Michael lebte im Schwarzwald. Nach einer Phase der Ruhe stand ich auf und begab mich in den großzügig gestalteten Aufenthaltsraum, wo ich wieder auf die junge Hübsche stieß, die in ein dickes Buch vertieft war. Ich ging zu ihr und stellte mich vor.
    »Mein Name ist Mano.«
    »Ich heiße Nadine. Wie geht’s dir, Mano?«
    »Danke, mir geht’s gut. Und dir?«
    »Auch gut. Nur langweile ich mich oft in den Herbergen und vermisse meinen Sohn. Deshalb lese ich viel.«
    »Du kannst doch mit Pilgern Gespräche führen und mit ihnen essen.«
    »Ich bin gerne alleine.«
    »Wo wohnst du in Deutschland?«
    »In Bitburg. Und wo lebst

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