Ein neues Leben auf dem Jakobsweg
schienen, zeigte und erklärte mir das ehemalige mittelalterliche Pilgerhospital. Ich war beeindruckt von dem Hotel, in dem ich gerne übernachtet hätte. In der Bar tranken wir Kaffee. Leider verstand ich nicht alles, was der sympathische Spanier mir mitzuteilen versuchte.
Als wir unsere Tassen geleert und einige Kekse verzehrt hatten, gab er mir zu verstehen, er wolle mich zur Messe begleiten. Ich fühlte mich sehr geehrt, als er die Kathedrale aufschloss und ihre Sehenswürdigkeiten in aller Ausführlichkeit erklärte. Kurz vor Beginn der Messe machte er mir klar, dass er sich nunmehr anderen Aufgaben widmen müsse. Ich setzte mich in eine Bank und beobachtete, wie er von vielen überwiegend älteren Menschen per Handschlag begrüßt wurde. Dieser Mann musste eine besondere Stellung in Santo Domingo bekleiden. Die Kathedrale füllte sich. Einige Peregrinos mischten sich unter die überwiegend dunkel gekleideten Besucher. Ein Priester, eine würdige Gestalt von großer Statur, betrat den Altarraum. Ich fühlte mich wohl während der heiligen Zeremonie und sah, wie mein Gastgeber mit einem Opferbeutel in den benachbarten Reihen Spenden einsammelte. Nach dem Vaterunser reichten mir einige alte Frauen ihre weichen Hände, die ich mit Ehrfurcht und Freude drückte. Eine wünschte mir »Buen camino«, eine andere »Buen viaje (gute Reise).« Ich empfand eine tiefe Glückseligkeit in jenen andächtigen Momenten. Bevor die Messe ihr Ende fand, wurden die Pilger gesegnet. Anschließend begaben sich die Einheimischen zum Priester, der vor dem Altar stand und ein heiliges Bildnis in seinen Händen hielt, dem die Menschen einen Kuss aufdrückten. Ich war mir sicher, dass es sich bei dem Bild um den heiligen Santo Domingo handelte, fand die Geste schön und folgte ihrem Beispiel.
Dies war jedoch nicht der einzige Höhepunkt an diesem Tag. Die Menschen stellten sich vor das Grab des heiligen Santo Domingo und stimmten in einen wundervollen Gesang ein, der mir eine Gänsehaut und feuchte Augen bereitete. Als ich aus der Kathedrale in die warme Abendstimmung trat, hatte ich das tiefe Gefühl, etwas ganz Besonderes erlebt zu haben.
Ich beschloss, meine Eltern und meine Kinder anzurufen. Lange schon hatte ich nichts mehr von mir hören lassen. Eine Telefonzelle, die ich vorfand, war leider defekt. Auf der Suche nach einer intakten entdeckte ich meinen Gastgeber, der sich in Begleitung dreier festlich gekleideter Menschen befand. Ich sagte ihm, dass die Messe großartig war, und bedankte mich nochmals für seine Freundlichkeiten. Als ich mich verabschieden wollte, zeigte er mir gestenreich, dass er noch etwas anderes mit mir vorhatte. Nachdem er mich seinen Freunden vorgestellt hatte, gingen wir in ein nahe gelegenes Restaurant, in dem er eine Runde spendierte. Vehement lehnte er das Angebot ab, ihn zu einem Getränk einzuladen. Aus einer Nische winkten mir bekannte deutsche Peregrinos zu. Auch sie wurden zu einem Getränk eingeladen. Unter den Pilgern war eine Frau, die gut Spanisch sprach und sich kurz mit unserem Gönner austauschte. Daraufhin nahm er eine Visitenkarte aus seiner Tasche, beschrieb die selbige, zeigte öfters, während er sich mit der Pilgerin angeregt unterhielt, in meine Richtung und hielt mir dann die Karte entgegen.
Die Pilgerin übersetzte mir anschließend mit sichtlicher Verwunderung, dass es sich bei dem Herrn um Roberto Garcia handelte und dass ich in seinem Hause übernachten könne, wenn ich noch einmal nach Santo Domingo käme. Er hätte dies, wie auch seine Adresse, auf die Karte geschrieben. Und er ließ mir mitteilen, dass ich mich nicht ständig bedanken müsse. Fassungslos über so viel Gastfreundschaft, nahm ich seine Karte entgegen, drückte seine Hand und bedankte mich erneut. Weil Herr Garcia uns anscheinend noch nicht genug verwöhnt hatte, bestellte er für jeden ein weiteres Getränk auf seine Rechnung. Meine bekannten Peregrinos waren ebenso verblüfft wie ich und freuten sich über diesen unerwarteten Abend. Leider blieb uns nicht mehr viel Zeit, unser Getränk und die Gastfreundschaft von Herrn Garcia und seinen Freunden zu genießen. Es war beinahe zehn Uhr, die Torschlusszeit in Pilger-Unterkünften. Zudem waren wir im Kloster untergebracht, wo die Sitten wahrscheinlich noch strenger gehandhabt würden. Wir verabschiedeten uns von dem außergewöhnlichen Roberto Garcia und seinen Freunden und bedankten uns nochmals.
Mit einem Glücksgefühl der besonderen Art kroch ich in meinen
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