Ein neues Leben auf dem Jakobsweg
Schlafsack und musste an meine innere Stimme denken, die mir mittags im Restaurant zu verstehen gegeben hatte, in Santo Domingo zu verweilen. Es ist gut, auf mein Gefühl zu hören, das mir schon des Öfteren in meinem Leben verholfen hat, die richtige Entscheidung zu treffen.
»Lasse nie zu, dass du jemandem begegnest, der nicht nach der Begegnung mit dir glücklicher ist.«
Mutter Teresa
8 Papa Brasil
Am nächsten Morgen erfreute mich ausnahmsweise das Plastiktütenrascheln, weil es signalisierte, dass die Nacht und das grausige Schnarchkonzert ein Ende gefunden hatten. Für meine Morgentoilette musste ich mich gedulden, was mir nicht leicht fiel. Es war lediglich eine Toilette für mehr als zwanzig Peregrinos vorhanden. Mit einem Gefühl von Befreiung verließ ich die Klostermauern und trat auf die gepflasterte Straße. Das Gehen fiel mir schwer, ich fühlte mich müde. Wie viele Stunden ich geschlafen hatte, wusste ich nicht. Viele können es nicht gewesen sein.
Nach einigen Kilometern fand ich mich vor einer Weggabelung wieder. Mein Reiseführer empfahl den Wirtschaftsweg und nicht die vielbefahrene Nationalstraße. Er wies ebenfalls daraufhin, dass der Feldweg etwas länger sei. Die meisten Pilger hatten sich für die Straße entschieden, wie ich sah. Mein Gefühl bevorzugte den Feldweg. Ich entschied mich dagegen und wurde von jedem LKW, der an mir vorbei donnerte und dem folgenden Windsog, der mich aus dem Gleichgewicht brachte, daran erinnert, besser auf mein Gefühl zu hören. Bei nächster Gelegenheit wollte ich dem wieder Folge leisten, erhöhte mein Tempo und war heilfroh, nach einigen Kilometern die Straße verlassen zu können.
In Grañón füllte ich an einem Brunnen, an dem ein Pilgerpaar rastete, frisches Wasser in zwei meiner Halbliterflaschen. Die Pilger erzählten mir, dass sie sich für den Feldweg entschieden hätten, von dem aus sie eine großartige Aussicht genießen konnten und der nur unwesentlich länger als die Straße gewesen war. Mein Rucksack lastete ungewöhnlich schwer auf meinen Schultern, als ich durch den Ort wanderte. Ich hatte den Eindruck, dass jedes einzelne Gramm mir seine Berechtigung und Gewichtigkeit aufzeigen wollte.
Am Ortsausgang traf ich auf Inge, die mit zwei überlangen Stöcken, die sie im Wald aufgegriffen hatte, ihren Weg hinkend und mühevoll bewältigte. Ihr Gehen sah nach harter Arbeit aus. Inge erzählte mir aus ihrem Leben, dass sie schnell ungeduldig würde und nicht immer Vertrauen in ihren Weg habe. Ich versuchte sie damit zu trösten, dass es mir und den meisten unserer Mitmenschen nicht anders ergehe und viele mehr dem Geld und den unzähligen Versicherungsgesellschaften vertrauten als dem Göttlichen Kern, der ihnen alles Gute zukommen ließe, wenn sie ihm nur den Glauben entgegenbringen könnten.
Ich musste daran denken, dass sehr wahrscheinlich viele vergessen haben, dass Gott ein liebender Gott ist, der alles in uns gelegt hat, was wir für ein glückliches und zufriedenes Leben benötigen. Wir müssen lediglich in seinem Sinne handeln. Es gibt genügend Beispiele, dass selbst viele Millionen Euro plötzlich verloren gehen können. Geld ist keine Versicherung und erst recht keine Garantie für Glück. Es spricht nichts dagegen, viel Geld zu besitzen. Der Mensch kann mit Geld viel Gutes tun, indem er den Armen und Bedürftigen hilft. Öfters in meinem Leben habe ich die stillen Segnungen der Armen gefühlt und gesehen. Wir erhalten den Segen der Armen, wenn wir ihnen helfen, und er macht uns reich. Wenn wir unseren Mitmenschen auch ein Stück Land zugestünden, ausreichend Nahrung, Kleidung und ein Dach über ihrem Kopf - ja, ich glaube, dann hätten wir auch Frieden auf unserer Erde und in unseren Herzen. Jeder Mensch hat schließlich das gleiche Recht auf Leben, Arbeit, Nahrung, Frieden und Freiheit. Ich bin der festen Überzeugung, dass es den Menschen mehr Freude bereiten würde, miteinander zu arbeiten, zu essen, zu tanzen, zu lieben, zu reden und Musik zu machen, als sich gegenseitig Kugeln in den Bauch zu schießen. Der Ursprung des Friedens liegt in jedem Einzelnen.
Die Welt ist so, wie wir sie sehen. Für den Einen ist die Welt eine einzige Katastrophe, für den Anderen voller Wunder und Glück. Warum dieser Unterschied? Weil der Eine an eine gute Welt glaubt und der Andere eben nicht. Unsere Gedanken bilden die Zukunft. Wie soll die Erde in Zukunft aussehen? Das, was wir glauben, wird eintreffen.
Inge war glücklich
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