Ein neues Paradies
fortzusetzen, hatte der Verlassene die immer gleichen Tage auf dem paradiesischen Eiland kommen und gehen sehen, bis nach Monaten ein Kopradampfer vor der Insel halt machte und ein Boot ausschickte, um sich mit frischem Trinkwasser zu versorgen.
Damals hatte der Alte mit sich gerungen, ob er bleiben oder seine Anlagen im Stich lassen und zu den Menschen zurückkehren solle. Unmöglich, sich von seinem Lebenswerk zu trennen! Doch einen Brief hatte er damals geschrieben und den Männern in dem fremden Boot auf die Seele gebunden, ihn der nächsten Poststation anzuvertrauen. Hatten die es getan? Oder war der Brief verloren, vernichtet worden? Wie viele Monate waren seitdem vergangen? Würde die Hilfe niemals kommen, würde er den Rest seines Lebens hier in der Einsamkeit verbringen müssen? Immer hastiger, immer fiebriger jagten sich seine Gedanken, während er der letzten, schlimmsten Möglichkeit nachsann.
»Onkel Max!«
Der Alte saß regungslos vor dem Tisch, in seine Erinnerungen versunken.
»Onkel Max!«
War eben ein Ruf an sein Ohr gedrungen? Er fuhr empor und starrte um sich. Da, zum dritten Male: »Onkel Max!«
Der Alte richtete sich taumelnd auf. »Wer ruft da?« kam es heiser aus seiner Kehle.
»Ich bin es! Dein Neffe Fritz Bergmann, Onkel Max! Ich habe deinen Brief erhalten und bin hierher gekommen.«
Mit einem Sprung drang Fritz in den Bungalow ein. Er kam eben noch zurecht, um den Alten auffangen und auf sein Lager betten zu können. Dem hatte die ungeheure Überraschung die Sinne benommen. Minuten vergingen, bevor er das volle Bewußtsein wiedererlangte und die frohe Botschaft verstehen und fassen konnte, daß sein Hilferuf das Ziel erreicht habe, daß das schlimme Jahr der Einsamkeit zu Ende sei.
»Du bist hier, Fritz? Du bist wirklich hier und gehst nicht wieder fort?«
»Ich bin hier, Onkel Max, ich bin hier und bleibe hier. Ich bin auch nicht allein hier. Ich habe zwei treue Freunde mitgebracht, und wir werden dir helfen.«
Nur mit Mühe vermochte er schließlich seine Hände aus denen des Alten zu lösen; er lief zum Ufer, um die Freunde zu holen.
Dann saßen sie zu viert am Tisch, und Rede und Gegenrede rissen viele Stunden hindurch nicht ab. Es war schon spät nach Mitternacht, als sie sich endlich zur Ruhe begaben. —
Freude und Hoffnung sind die besten Ärzte. Professor Belian, gestern noch ein müder, gebrochener Mann, schaute mit neugewonnenem Lebensmut in den jungen Morgen. Unter dem schattigen Vorbau des Bungalows stand der Tisch, an dem er seine Gäste und künftigen Helfer bewirtete und ihnen bei Speise und Trank seine Pläne entwickelte. Fritz und seine Freunde wußten kaum, worüber sie mehr staunen sollten, über die hochfliegenden Pläne, die der alte Professor hier mit einer bescheidenen Selbstverständlichkeit vortrug, oder über das auserlesene Mahl, das er ihnen vorsetzte.
Im Licht der Morgensonne zeigte sich jetzt, was alles gestern abend Professor Belian von seiner Streife durch die Insel mitgebracht hatte. Da standen auf dem Tisch frische Austern von einer Größe und Schmackhaftigkeit, daß Klaus Jensen mit Ausdrücken der Hochachtung nicht sparte. Da gab es gebratenes Geflügel, das Fritz den besten Fasanen für ebenbürtig erklärte, wenn er auch die Art zoologisch nicht zu bestimmen vermochte. Da prangte ein Eierkuchen, der Heinz immer wieder zu neuen Angriffen ermutigte, obwohl er nach der Meinung von Klaus längst bis an die Ankerklüsen geladen hatte. Und da waren schließlich saftige Früchte von einem wunderbaren Aroma, die Fritz veranlaßten, Schulerinnerungen auszukramen und einen längeren Vortrag über die Lotosesser des alten Homer zu halten. Mit stillem Lächeln hörte Professor Belian seinen begeisterten Ausführungen zu.
»Du hast recht, mein Junge. Unsere Insel bietet Genüsse kulinarischer Art, daß wohl auch manch anderer hier lange Jahre aushalten könnte. Ich glaube, daß ich meinen Arbeitsplatz nicht schlecht gewählt habe. Wir haben hier alles, was der Mensch sich wünschen kann: ein paradiesisches Klima und beste Nahrung in Hülle und Fülle, weiter eine Wasserkraft, die mich bei meinen Arbeiten von jedem Brennstoff unabhängig macht. Gerade die war, das kann ich wohl sagen, verhältnismäßig schwer zu finden. Lange Zeit habe ich den Archipel durchreist und viele Inseln besucht, bevor ich fand, was ich brauchte. Als ich – manch Jahr ist seitdem vergangen – hier landete und das Wildwasser da in hohem Sturz von den Bergen herunterbrausen
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