Ein Noah von heute
den andern ließ, mit denen er so gern gespielt hätte. Er hielt es fürs beste, sich einen Tunnel zu graben, wenn ich nicht zuschaute.
An der Seite seines Käfigs hatte er zwischen den Brettern eine kleine Lücke entdeckt, und er machte sich daran, sie mit Fingern und Zähnen zu erweitern. Das Holz war sehr hart, und erst nach vielem Zupfen und Beißen vermochte er einen kleinen Splitter abzureißen. Ich behielt das Loch wachsam im Auge, um sicherzugehen, daß es nicht größer wurde; aber da Wiekes das nicht wußte, wiegte er sich in dem Glauben, ich hätte keine Ahnung davon. Stundenlang biß und kratzte er an dem Holz, doch sowie er mich kommen hörte, sprang er auf seine Stange und saß dort mit unschuldiger Engelsmiene, zog die Brauen in die Höhe und zeigte seine weißen Lider, zwinkerte mich fröhlich an in der Hoffnung, mir weiszumachen, er wäre der letzte Affe im Lager, der etwas Unartiges tun würde.
Ich unternahm nichts mit seinem Loch, denn ich vermutete, daß er die Arbeit aufgeben würde, wenn er merkte, wie hart das Holz war. Zu meiner Überraschung trat genau das Gegenteil ein. Die Sache fesselte ihn so sehr, daß er jede verfügbare Minute damit verbrachte, an dem Holz zu beißen, zu saugen und zu kratzen. Doch immer wenn ich auf dem Schauplatz erschien, saß er friedlich auf seiner Stange, und wenn in seinen Kinnhaaren nicht ein paar Splitterchen gesteckt hätten, wäre es mir verborgen geblieben, daß er seine Maulwurfsarbeit fortsetzte. So überzeugt schien er von meiner Unkenntnis seines Geheimgangs zu sein, daß ich eines Tages beschloß, ihn zu überrumpeln.
Da ich ihm soeben eine Schale Milch gebracht hatte, rechnete er nicht mit meiner baldigen Rückkehr. Erfrischt von seinem Trunk, machte er sich an seinem Loch zu schaffen. Ich ließ ihm genügend Zeit für einen guten Anfang, dann schlich ich an den Käfigen entlang. Wahrhaftig, dort hockte Wiekes mit grimmigem, entschlossenem Gesichtsausdruck auf dem Boden und zerrte mit beiden Händen an einem ziemlich langen Holzsplitter. Es war ein sehr zähes Stück, und obwohl er mit aller Kraft daran zog, ließ es sich nicht abreißen, und so wurde er immer zorniger, schnatterte vor sich hin und schnitt erschreckende Grimassen. Gerade als er sich vorbeugte, um zu untersuchen, ob er den widerspenstigen Splitter nicht durchbeißen könnte, fragte ich ihn mit strenger Stimme, was ihm eigentlich einfiele.
Er zuckte zusammen, als ob ich ihn mit einer Nadel gestochen hätte, und warf einen erschrockenen, schuldbewußten Blick über die Schulter. Ich fragte ihn abermals, was er eigentlich im Schilde führe, und mit mattem Grinsen machte er einen kläglichen Versuch, mir seine Augenlider zu zeigen.
Als er sah, daß ich nicht abzulenken war, ließ er einfältig den Splitter los, ergriff seinen leeren Milchnapf und sprang auf die Stange, wo er von Verlegenheit so überwältigt wurde, daß er sich den Napf über den Kopf stülpte und rückwärts von der Stange zu Boden purzelte. Das war so komisch, daß ich lachen mußte, und so meinte er wohl, ich hätte ihm verziehen. Er kletterte abermals auf seine Stange, wobei er den Napf wie einen Blechhelm auf dem Kopf trug, und purzelte abermals hinunter. Diesmal fiel er auf den Kopf, und da er sich weh getan hatte, mußte er zum Gitter kommen und sich die Hände halten lassen, bis er sich besser fühlte.
Nachdem ihm klar geworden war, daß ich über sein Loch Bescheid wußte, gab er alle Geheimniskrämerei auf und arbeitete vor meinen Augen daran weiter. Wenn ich ihn schalt, führte er mir erneut das Kunststück mit dem Napf auf dem Kopf und dem Rückwärtssturz von der Stange vor, und wenn ich lachte, nahm er an, ich hätte ihm verziehen, und kehrte zu seiner Arbeit zurück.
Vorsichtshalber nagelte ich jedoch ein kleines Drahtnetz an die andere Seite seines Tunnels, und als er das entdeckte, ärgerte er sich sehr. Nachdem er festgestellt hatte, daß er das Drahtnetz beim besten Willen nicht entfernen konnte, gab er den Tunnelbau widerwillig auf; dagegen vergaß er sein Kunststück nie; wenn ich ihm zürnte, vollführte er immer den Purzelbaum von der Stange, um mich zu besänftigen.
Sechstes Kapitel
Der Schimpanse Cholmondely
Als sich der Schimpanse Cholmondely zu meiner Sammlung gesellte, wurde er sofort der ungekrönte König, nicht nur wegen seiner Größe, sondern weil er auch so bemerkenswert intelligent war.
Cholmondely war das Haustier eines Distriktbeamten gewesen, der den Schimpansen dem
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