Ein Noah von heute
jedesmal durchnäßt daraus hervorging, befürchtete ich, er könnte sich erkälten. Meiner Ansicht nach bestand der Grund für seine Aufregung darin, daß er die Milch kommen sah, wenn er auf dem Tisch saß; deshalb versuchte ich es mit einem neuen Fütterungsverfahren. Ich stellte die Untertasse zuerst auf den Tisch und trug dann Footle hin. Als ich dies das erstenmal tat, sah er die Milch schon aus einiger Entfernung, worauf er mir mit einem schrillen Freudenschrei aus den Händen sprang, sehr anmutig durch die Luft schoß und mit einem Platsch mitten in der Milch landete. Natürlich kippte die Untertasse um, und wir waren beide durchnäßt.
Danach versuchte ich ihn festzuhalten, während er trank, und das glückte etwas besser. Er wand sich mit wütendem Geschrei, weil ich ihm den Sprung in die Milch wie in ein Schwimmbecken nicht erlaubte, und manchmal gelang es ihm, sich freizustrampeln und hineinzuhüpfen, bevor ich es verhindern konnte. Meistens aber hatte ich mit dieser Methode Erfolg, und er blieb trocken bis auf sein Gesicht. Es war mir unmöglich, ihn davon abzuhalten, das Gesicht in der Milch zu versenken, und wenn er auftauchte, um Luft zu holen, war sein Gesicht so weiß, daß sich nicht unterscheiden ließ, wo sein «Schnurrbart» anfing und endete.
Wenn Footle nicht mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt war, klammerte er sich gern an etwas. Alle Affenjungen dieses Alters klammern sich gewöhnlich an das weiche Fell ihrer Mutter, während sie durch die Bäume streift. Da Footle mich als seine Mutter adoptiert hatte, schien er es für sein gutes Recht zu halten, sich an mich zu klammern, wenn nicht gerade Fütterungszeit war. Meistens trug ich ihn bei meiner Arbeit mit mir herum, und er benahm sich sehr gut; er saß auf meiner Schulter und klammerte sich mit einer Hand an mein Ohr.
Eines Tages aber wurde er tollkühn und entsprang. Er landete am vorderen Drahtgitter eines Käfigs, der einen großen, wilden Affen enthielt, und dieser Affe packte Footle prompt am Schwanz. Wäre ich nicht zur Stelle gewesen, so daß ich ihn retten konnte, so wäre das sein letztes Abenteuer gewesen.
Nach dieser Erfahrung fand ich es allzu gefährlich für Footle, auf meiner Schulter zu sitzen, während ich meiner Arbeit nachging; und darum schloß ich ihn in seinem Korb ein. Aber er war offensichtlich unglücklich, schrie jammernd den ganzen Tag und versuchte hinauszuklettern, so daß ich mir etwas anderes ausdenken mußte. Ich zog einige Tage einen alten Mantel an und trug Footle wie früher auf meiner Schulter. Nachdem er sich an das Kleidungsstück gewöhnt hatte, zog ich es aus, hängte es über eine Stuhllehne und setzte dann das Äffchen darauf. Es schien nicht zu merken, daß ich nicht mehr in dem Mantel stak, und es klammerte sich mit großer Liebe daran.
So hängte ich den Mantel jeden Morgen über die Stuhllehne, setzte Footle darauf, und er blieb recht vergnügt dort sitzen, während ich mich betätigte. Anscheinend dachte er, der Mantel wäre ein Teil von mir, vielleicht eine besondere Haut, und solange er mit einem Teil von mir verbunden war, fühlte er sich glücklich. Er führte sogar lange Quiekgespräche mit mir, während ich arbeitete, machte aber nie den Versuch, den Mantel zu verlassen und mir auf die Schulter zu klettern.
Als Footle schließlich in Liverpool ankam, genoß er es, den Pressefotografen auf meiner Schulter Modell zu sitzen. Sie waren entzückt von ihm, keiner hatte jemals ein so kleines Äffchen gesehen. Der eine betrachtete ihn lange und sagte dann zu mir: «Ich finde, er ist noch viel zu jung für einen so großen Schnurrbart.»
Der Rotkopfmangabe erhielt den Namen Wiekes wegen seines Rufes. Sooft man sich seinem Käfig näherte, riß er den Mund weit auf und rief mit lauter Stimme: «Wiekes, wiekes, wiekes.» Er hatte ein zartgraues Fell, einen weißen Kragen und einen glänzenden rot-braunen Schopf. In seinem dunkelgrauen Gesicht saßen kremweiße Lider. Normalerweise konnte man die Lider nicht sehen, aber bei der Begrüßung zog er die Brauen in die Höhe und senkte die Lider so plötzlich, daß es aussah, als ob seine Augen von weißen Fensterläden bedeckt würden.
Wiekes fand es sehr langweilig, in einem Käfig ohne Spielgenossen zu leben; aber ich konnte ihm keinen Gefährten geben, da er der einzige Vertreter seiner Gattung in meinem Besitz war. Das wußte er jedoch nicht, denn ringsum hörte und roch er andere Affen, und er fand es sehr ungerecht, daß ich ihn nicht zu
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