Ein Noah von heute
geradezu ohrenbetäubend war, mehrere junge Abgottschlangen und drei Kapuzineräffchen. Es überraschte mich sehr, daß die Indianer Riesenschlangen als Haustiere hielten, denn ich hatte natürlich gedacht, daß sie sich vor Schlangen ebenso fürchten würden wie die afrikanischen Eingeborenen. Als ich der Sache nachging, stellte ich fest, daß sie die Reptilien in ihren Hütten im Sparrenwerk herumkriechen ließen, und daß die Schlangen eine ähnliche Rolle spielten wie die europäischen Hauskatzen. Sie wurden ganz-zahm, während sie sich von den Ratten und Mäusen ernährten, die, sie fanden, und solange sie Beute machten, blieben sie oben im Gebälk und wagten sich nie auf den Boden hinunter. Die Indianer erklärten mir, daß die Abgottschlangen nicht nur weitaus bessere: Rattenfänger als jede Katze seien, sondern mit ihrer rosa, silbrigen, schwarzen und weißen Zeichnung auch viel schöner anzusehen, wenn sie sich wie bunte Tücher um das Sparrenwerk wanden.
In Guayana kommt der Ameisenbär in drei verschiedenen Formen vor. Da gibt es den Großen Ameisenbären, der mit seinem struppigen Schwanz über zwei Meter mißt, dann den Tamandua, der ungefähr die Größe eines Pekinesen hat, sowie den Zwergameisenbär, der nur ungefähr zwanzig Zentimeter lang ist. Diesel drei Ameisenbären leben in ganz verschiedenen Landschaften, und selten trifft man die eine Art im Gebiet der andern an. Der Große Ameisenbär bevorzugt das Grasland in der nördlichen Hälfte von Guayana, die beiden andern bewohnen die Waldgegenden. Den Tamandua kann man sogar in den halbkultivierten Teilen des Landes finden, doch um den Zwergameisenbären aufzuspüren, muß man in den tiefen Urwald gehen.
Um den Großen Ameisenbären zu fangen, flogen wir dreihundert Kilometer landeinwärts zum nördlichen Savannenland. Das Flugzeug setzte uns bei einer abgelegenen Ranch am Ufer des Rupununs ab. Hier sicherte ich mir die Hilfe eines außerordentlich gewiegten Jägers, eines Indianers, der Francis hieß. Ich erklärte ihm, was ich wünschte, und nach langem Nachdenken sagte er, am besten wäre es, wenn er in den Savannen umherstöberte, bis er Spuren fände, die auf das Vorkommen eines Großen Ameisenbären schließen ließen. Dann könnten wir dorthin gehen, das Tier selbst suchen und den Fang in die Wege leiten.
Diesem Plan stimmte ich zu, und drei Tage später kehrte Francis zur Ranch zurück und berichtete mit strahlendem Gesicht, er habe Erfolg gehabt. An einer bestimmten Stelle mitten in der Steppe habe er Termitenbauten gefunden, die von kräftigen Klauen aufgerissen worden seien, und das gelte als unmißverständliches Anzeichen für das Vorhandensein eines Ameisenbären.
Früh morgens ritten Francis, mein Freund und ich los. Die Steppe, da und dort von Gebüsch besprenkelt, schimmerte golden in den Sonnenstrahlen; sie erstreckte sich nach allen Seiten zum fernen Horizont, wo sich grünlichblaue Berge matt abhoben.
Wir ritten stundenlang, ohne irgendwelches Leben zu sehen außer einem Habichtpaar, das hoch über uns am blauen Himmel kreiste.
Ich wußte aber, daß die Steppen ihren gerechten Anteil am Tierleben haben, und so wunderte es mich, daß wir auf unserem Ritt keine weiteren Lebewesen trafen. Bald entdeckte ich den Grund, denn nach einiger Zeit gelangten wir zu einer großen ovalen Vertiefung, auf deren Grund sich ein friedlicher See mit Wasserrosen ausbreitete, gesäumt von üppigen Pflanzen und kleinen Bäumen. Mit einem Schlage schien alles lebendig zu werden. Die Luft war voll von hin und her zuckenden Libellen; bunte Eidechsen huschten um die Hufe unserer Pferde; Pfefferfresser saßen auf den abgestorbenen Ästen, die über dem Wasser hingen, und im Schilf und im Gebüsch am See schnatterten und flatterten Scharen kleiner Vögel. Als wir vorbeischritten, sah ich am gegenüberliegenden Ufer zehn Jabirus, ungefähr ein Meter zwanzig große Ibisse, die mit ernstem Ausdruck an ihrem langen Schnabel entlangblickten. Als wir den See hinter uns hatten und wieder die Steppe betraten, wurde alles von neuem leblos, und als einzigen Laut hörte man die Pferdehufe durch das hohe Gras zischen.
Daraufhin wurde mir klar, daß die wasserlosen Steppen von den Tieren gemieden wurden, und daß man sie nur bei den Seen und Wasserlöchern finden würde. Infolgedessen konnte man meilenweit reiten, ohne irgendwelches Leben zu sehen; aber wenn man zu einer Vertiefung gelangte, auf deren Grund sich Wasser angesammelt hatte, bemerkte man die Fauna
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