Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Noah von heute

Ein Noah von heute

Titel: Ein Noah von heute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
Vom Netzwerk:
gereizt, daß er immerzu mit einem Seil beworfen wurde; er blieb jählings stehen, drehte sich um und erhob sich auf die Hinterbeine. In dieser Haltung war sein Kopf in gleicher Höhe mit meiner Brust, und ich beobachtete wachsam die gekrümmten, fünfzehn Zentimeter langen Klauen an seinen Vorderfüßen, die er in Bereitschaft hielt.
    Er schnüffelte, schlenkerte die lange, schlanke Schnauze hin und her und schwang die Vorderbeine, so daß er wirklich wie ein Boxer aussah. Da ich keine Lust hatte, mich auf ein Handgemenge mit einem Geschöpf einzulassen, das offensichtlich imstande war, mit seinen Vorderklauen erheblichen Schaden zuzufügen, fand ich es besser, zu warten, bis Francis bei mir war, so daß der eine von uns das Tier ablenken konnte, während der andere es zu fangen versuchte. Ich beschrieb einen Bogen um den Ameisenbären, um ihn von hinten zu überrumpeln, aber er drehte sich wie ein Kreisel und richtete seine mächtigen Klauen immerzu drohend auf mich. Also setzte ich mich auf den Boden, um auf Francis zu warten.
    Der Ameisenbär, der merkte, daß ein Waffenstillstand eingetreten war, hielt die Pause für eine gute Gelegenheit, den Schaden zu beheben, der ihm beim Kampf mit uns zugefügt worden war. Während er fauchend und schnaubend über die Steppe gerannt war, hatten sich Speichelströme aus seinem Maul ergossen. Der Speichel des Ameisenbären ist dick und klebrig, denn er benutzt ihn zum. Einspeicheln seiner langen Zunge, um sich seine Nahrung zu holen. Die klebrigen Speichelfäden waren während des Laufes hin und her geflogen, und da Holzstückchen daran hängen geblieben waren, klebte ihm all das Zeug nun an der Nase. Er setzte sich auf seine Keulen und säuberte mit Hilfe der Klauen sorgfältig seine lange Schnauze. Dann stand er mit einem tiefen Seufzer auf, schüttelte sich und begann wieder über die Steppe zu trotten.
    Als Francis sich mit seinem Lasso zu mir gesellte, setzten wir dem Ameisenbären abermals nach, und sowie er uns hörte, drehte er sich um und nahm seine Abwehrstellung wieder ein; aber gegen zwei war er entschieden im Nachteil. Während ich ihn ablenkte, beschlich Francis ihn von hinten und warf ihm den Lasso sauber über. Kaum fühlte er zum zweitenmal die feste Schlinge um seinen Leib, da schoß er auch schon los, Francis und mich nachziehend, und in der nächsten halben Stunde wurden wir dahin und dorthin gezerrt, bis: es uns gelang, dem Ameisenbären so viele Schlingen um Körper und Beine zu wickeln, daß er sich nicht mehr bewegen konnte. Sicherheitshalber fesselten wir ihn noch mit einem zweiten Seil, bevor wir ihn in einen der großen Säcke versenkten, so daß nur sein langer Kopf und die Nase herausragten.
    Gerade beglückwünschten wir uns zu dem Fang, da ergab sich eine neue Schwierigkeit. Als wir mit dem Sack bei den Pferden erschienen, zeigten sie deutlich, daß sie zwar nichts dagegen hatten, uns zu tragen, aber keineswegs gewillt waren, ein fremdes Geschöpf in einem Sack zu befördern, das so heftig fauchte und schnaufte. Eine Viertelstunde lang bemühten wir uns vergeblich, sie zu beschwichtigen. Jedesmal wenn wir uns den Pferden mit dem Ameisenbären näherten, warfen sie den Kopf auf und scheuten ungestüm.
    Francis meinte, es bliebe mir nichts anderes übrig, als sein Pferd zu führen, während er mit dem Ameisenbären auf den Schultern zu Fuß folgte. Ich bezweifelte den Erfolg, denn wir waren kilometerweit von der Ranch entfernt, die Sonne brannte heiß hernieder, und der Ameisenbär war kein Leichtgewicht. Es schien uns aber wirklich nichts anderes übrigzubleiben; also saß ich auf und führte Francis’ Pferd an der Halfter, während er mit unserer Beute auf dem Rücken hinterdreinstakste. Der Ameisenbär tat nach Kräften alles, um den Transport möglichst zu erschweren; er zappelte in seinem Sack herum, so daß es höchst ungemütlich war, ihn zu tragen. Nach ungefähr einer Stunde hatten wir nur drei Kilometer über die Steppe zurückgelegt, denn alle zwei- bis dreihundert Meter mußte Francis den Sack absetzen und ausruhen.
    Schließlich sahen wir ein, daß es eine Woche dauern würde, den Ameisenbären zur Ranch zu bringen, wenn wir dieses Tempo beibehielten. Francis schlug vor, mein Freund oder ich sollte mit dem Ameisenbären Zurückbleiben, während der andere mit ihm zur Außenstation ritt, einem fernen Fleck am Horizont, den er uns zeigte. Dort könnten wir, so versicherte er uns, etwas bekommen, das er als «Zugball» bezeichnete. Da

Weitere Kostenlose Bücher