Ein Noah von heute
wir damit rechnen, hier einesteils Waldbewohner zu finden und andernteils ganz andere Tierarten, die in den Savannen leben.
Längs der Küste, wo die großen Ströme ins Meer münden, ist die Landschaft von unzähligen Bächen und Rinnsalen durchzogen. Manche sind nur meterbreit, manche beträchtlich breiter als ein durchschnittlicher europäischer Fluß. Diesen Bächen verdankt Guayana die schönsten Landschaften. Die Gewässer, auf denen Laub und Holzstücke schwimmen, sind dunkelbraun gefleckt, und sie fließen so sanft, daß die Oberfläche im allgemeinen so ruhig ist wie ein dunkler Spiegel. Über den Wasserspiegel neigen sich die großen Bäume, deren Zweige mit unzähligen Bromeliazeen bebändert sind, einem Schmarotzerpilz, der in Gestalt grauer Fäden an den Bäumen hängt. Da gibt es außerdem Orchideen in Hunderten von verschiedenen Schattierungen, die manchmal in solchen Mengen auf Stämmen und Ästen wachsen, daß die Bäume wie juwelenbestickt wirken.
Die Wasserwege sind im allgemeinen, wie gesagt, gleich langen glänzenden Spiegelgassen, doch bisweilen ragt aus der Oberfläche eine dichte Matte grüner Wasserpflanzen hervor, und winzige violette und gelbe Blumen entfalten ihre Blütenblätter einige Millimeter über dem Wasser. An sonnigen Stellen sieht man nahe beim Ufer lauter riesige Wasserrosen, die größer sind als eine Teekanne, und deren tellerartige Blätter den Umfang einer Fahrradfelge haben. Wenn man auf diesen überwachsenen Wasserläufen in einem Boot fährt, ist es, als glitte man über einen grünen Rasen, denn während der Fahrt stößt der Bug die Wasserpflanzen beiseite, und hinter dem Heck schließen sich die Pflanzen wieder zusammen, so daß von dem Wasser nichts zu sehen ist. Durch die Bewegung des Bootes entsteht ein Gekräusel, das die Pflanzen im Kielwasser in grünen Wellen schaukeln läßt.
Nach der Ankunft in Guayana schlugen wir unser Basislager in der Hauptstadt Georgetown auf. Hier konnten wir uns nämlich leicht regelmäßige Nahrungsvorräte für unsere Tiere beschaffen, und wenn es galt, den Tiergarten aufs Schiff zu verladen, hatten wir keinen weiten Weg zum Hafen. Vom Basislager aus wollten wir Ausflüge ins Innere von Guayana unternehmen, die verschiedenen Landschaften aufsuchen und die dort lebenden Tiere fangen.
Das erste Ausflugsziel dieser Art war das Grasland beim Pomerun. Wir brachen von Georgetown aus auf und schlugen flußaufwärts die Richtung nach Santa Maria ein, einer kleinen Indianerstadt, die sich in der Tiefe dieses merkwürdigen Sumpfgebietes verbirgt. Wir brauchten einen ganzen Tag, um unseren Bestimmungsort zu erreichen, und es war eine unvergeßliche Fahrt. Während das Boot sanft über die schimmernden Wasserwege unter den bunten Bäumen dahinglitt, flogen uns große schwarze Spechte mit rotem Schopf voraus; sie stießen schrille Schreie aus und ließen sich ab und zu auf einem abgestorbenen Baum nieder, den sie heftig mit dem Schnabel behackten. Im Dickicht längs der Ufer hielten sich Sumpfvögel auf, von der Größe eines Sperlings, mit schwarzem Gefieder und leuchtendgelbem Kopf. Wenn wir um die Ecke bogen, flatterte manchmal ein Ibispaar auf, dessen Schwingen rosa und purpurrot flammten. Auf den Wasserpflanzen stelzten zahlreiche Jassanas herum, seltsam aussehende Vögel, die den Moorhühnern ähneln. Ihre langen, schlanken Beine enden in einem Bündel großer, dünner Zehen, die es ihnen ermöglichen, auf den Wasserpflanzen zu laufen, ohne einzusinken, denn bei jedem Schritt spreizt der Jassana die Zehen wie Spinnenbeine, so daß sich sein Körpergewicht gleichmäßig über die Wasserrosenblätter verteilt. Wenn sie feierlich über die Wasserrosen laufen, sehen sie wie ziemlich unscheinbare kleine; Vögel aus, aber wenn sie auffliegen, sieht man, daß sie unter jedem Flügel einen leuchtendgelben Fleck haben.
Manchmal störten wir einen Kaiman auf, der am Ufer lag. Diese südamerikanischen Alligatoren, die zur Familie der Krokodile gehören, beobachteten uns einen Augenblick mit erhobenem Kopf und halbgeöffnetem Maul, bevor sie schwerfällig zum Uferrand watschelten und ins Wasser glitten.
Wir kamen spät abends in Santa Maria an, und gleich am folgen-; den Tage machten wir uns daran, mit Hilfe der Dorfbewohner, unsere Tiere zu sammeln. Viele Indianer halten sich freilebende Geschöpfe als Haustiere, und da wir manche kaufen konnten, besaßen wir in kurzer Zeit etliche schillernde Aras, deren Geschrei in unserer kleinen Hütte
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