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Ein Noah von heute

Ein Noah von heute

Titel: Ein Noah von heute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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des Landes.
    Gegen Mittag erreichten wir endlich die Stelle in der Steppe, die Francis als das Gebiet des Ameisenbären bezeichnete, und hier zügelten wir die Pferde. Francis sagte, am besten wäre es, wenn wir in einer Reihe durch das hohe Gras ritten und dabei möglichst viel Radau machten, um den Ameisenbären aus seinem Schlafloch zu schrecken. Dann könnten wir ihn zu einem Gebiet links von uns treiben, wo kürzeres Gras wuchs, und ihn zu Pferde leichter über-1 holen. So durchfurchten wir das hohe Gras, das unseren Pferden bis zur Brust reichte, und grölten dabei mit aller Lungenkraft.
    Die Erde unter dem Gras war von der Sonne so hart gebacken wie Ziegelstein und so durchsetzt von Rissen und Löchern, daß unsere Pferde oft stolperten und uns beinahe abwarfen. Plötzlich stieß Francis einen lauten Ruf aus, und als ich zu ihm hinüberschaute, sah ich gerade vor seinem Gaul eine dunkle Gestalt im Gras umherspringen. Mein Freund und ich ritten sofort dorthin, um unserem Jäger beizustehen. Der Ameisenbär trachtete immer tiefer in das hohe Gras zu gelangen, aber es glückte uns, ihm den Weg abzuschneiden und ihn zu dem freieren Gelände zu treiben. Er galoppierte dahin, seine dicken, stämmigen Beine stampften den Boden, der lange, eiszapfenförmige Kopf schwang hin und her, und der große Schwanz flatterte hinter ihm wie eine Fahne.
    Wir ritten ihm so schnell wie möglich nach, ich auf der einen Seite, um ihm die Rückkehr ins hohe Gras abzuschneiden, auf der anderen Seite Francis, der seinen Lasso aufrollte, während er seinen Gaul anspornte. Allmählich geriet er auf gleiche Höhe mit dem galoppierenden Ameisenbären, und endlich ließ er seinen Lasso kreiseln und warf ihn. Leider hatte er sich mit der Größe der Schlinge geirrt. Sie war viel zu groß, und obwohl sie genau vor den Ameisenbären fiel, galoppierte das Tier einfach hindurch und setzte seinen Lauf schnaubend und fauchend fort. Francis zügelte sein Pferd, rollte das Seil wieder auf und nahm die Verfolgung von neuem auf. Abermals warf er seinen Lasso, als er auf gleicher Höhe mit dem Tier war. Diesmal hatte er Glück, und er konnte das Seil um den Leib des Ameisenbären festziehen.
    Im Nu saß er ab, hängte sich ingrimmig ans Ende des Seiles und wurde mitgeschleift, während der zornige Ameisenbär weiterrannte. Ich sprang vom Pferd, lief hinüber und hängte mich auch mit meinem ganzen Gewicht ans Seil. Es war erstaunlich, welche Kraft der Ameisenbär in seinen kurzen Beinen hatte, denn er schleppte uns kreuz und quer über die Steppe, bis wir recht erschöpft waren und das Seil in unsere Hände einschnitt.
    Francis warf einen Blick über die Schulter und stieß einen lauten Seufzer der Erleichterung aus. Als ich mich ebenfalls umschaute, sah ich, daß uns unser Kampf ziemlich nahe zu einem etwa vier Meter hohen Baum gebracht hatte. Es war tatsächlich der einzige Baum, den man meilenweit sehen konnte.
    Schwitzend und keuchend zogen wir den widerstrebenden Ameisenbären dorthin, dann wickelten wir das lose Ende des Seiles um den Stamm und verknoteten es. Gerade hatte ich den letzten Knoten gemacht, da schaute Francis in das Geäst hinauf und schrie erschrocken auf. Als ich seinem Blick folgte, gewahrte ich einen Meter über unseren Köpfen ein großes rundes Wespennest von der Größe eines Fußballs. Da der Ameisenbär an seinem Ende des Seiles zerrte, schwankte der Baum, neigte sich, worüber sich die Wespen so sehr ärgerten, daß sie mit zornigem Summen aus dem Nest hervorschwärmten. Hastig zogen wir uns zurück.
    Nachdem der Ameisenbär unseres Erachtens sicher angebunden war, kehrten wir zu den Pferden zurück, um die Sachen zu holen — starke Schnüre und große Säcke — , die wir zum Wegschaffen der Beute mitgenommen hatten. Ich kam gerade beizeiten wieder zu dem Baum, um zu sehen, daß der Ameisenbär die Schlinge um seinen Leib gelockert hatte, sich wie ein großer Hund schüttelte und in langsamer, würdevoller Gangart über die Steppe trottete. Ich überließ es Francis, seinen Lasso von dem wespenverseuchten Baum zu holen, und rannte dem Ameisenbären nach, wobei ich im Lauf am Ende eines langen Strickes eine Zugschlinge anbrachte.
    Ich holte das Tier ein und zielte mit meinem Amateurlasso nach seinem Kopf; aber da ich keineswegs so geschickt wie Francis war, traf ich natürlich daneben. Der Ameisenbär trabte weiter; ich versuchte es nochmals mit ebensowenig Erfolg und dann ein drittesmal. Den Ameisenbären stimmte es

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