Ein Noah von heute
den Namen «Gottseidank» eingetragen hat. Wenn sie schlafen, klammern sie sich mit Hinterfüßen und fest umgewickeltem Greifschwanz an und sitzen aufrecht wie ein Wächter mit hocherhobenen Vorderpfoten. Werden sie irgendwie gestört, so fallen sie auf den Feind hinunter, und die Krallen fahren kratzend und schlitzend auf den Angreifer los. Diese seltsame Haltung nimmt der Zwergameisenbär auch ein, wenn er erschrickt; er sitzt dann so bis zu einer halben Stunde mit hocherhobenen Vorderpfoten und geschlossenen Augen, während er auf eine Gelegenheit zum Angriff wartet.
Mein kleiner Ameisenbär bewegte sich außerordentlich langsam und verschlafen, und er schien sich so sehr in seine Gefangenschaft ergeben zu haben, daß ich ihn nicht einmal in eine Schachtel zu setzen brauchte, sondern einfach den Stecken, auf dem er saß, im Bug des Kanus anlehnte, und dort ragte er ganz steif empor wie die Galeonsfigur eines alten Schiffes, ohne sich zu rühren, bis wir unser Lager erreichten. Ich war keineswegs sicher, welche Nahrung das Kerlchen zu sich nehmen würde; ich wußte nur aus Büchern, daß dieses kleine Geschöpf vom Nektar verschiedener Waldblumen lebt. Deshalb bereitete ich am ersten Abend eine Mischung aus Honig und Wasser und hängte ihm einen kleinen Napf in den Käfig.
An diesem Abend begann er gegen acht Uhr lebendig zu werden. Er gab seine steife, aufrechte Haltung auf und begann langsam und vorsichtig zwischen den Zweigen in seinem Käfig herumzuklettern; er benahm sich wie ein alter Mann auf einer schlüpfrigen Straße. Plötzlich entdeckte er den Honignapf, der gerade über ihm an den Stangen hing. Äußerst vorsichtig schnüffelte er mit seiner kurzen rosa Nase daran, und dann entschied er, daß der Napf wahrscheinlich etwas Eßbares enthielt. Ehe ich ihn hindern konnte, hatte er die eine Klaue über den Rand des Schüsselchens gehakt, so daß es umkippte, und im nächsten Augenblick ergoß sich eine Honigwasserdusche über ihn. Darüber war er sehr entrüstet, und noch gereizter wurde er, als ich ihn aus dem Käfig nahm und mit einem Stückchen Watte abrieb. Den übrigen Abend saß er auf einem Zweig und reinigte sein Fell von den klebrigen Resten.
Honigwasser schmeckte ihm sehr gut, aber ich mußte es ihm in einem Töpfchen mit sehr kleiner Öffnung reichen, sonst steckte er den ganzen Kopf hinein, kletterte dann zum Boden hinunter und wanderte umher, so daß er am Morgen wie eine bewegliche Kugel aus klebrigem Sägemehl aussah. Da Honigwasser aber als Ernährung nicht genügte, versuchte ich, dem Tierchen Ameiseneier zu reichen. Zu meiner Überraschung weigerte er sich standhaft, sie zu fressen. Dann setzte ich ihm Ameisen vor, die ihn noch weniger zu interessieren schienen als ihre Eier. Schließlich entdeckte ich durch reinen Zufall, daß ihm Heuschrecken und Falter zusagten, auf die er jeden Abend mit großer Begeisterung in seinem Käfig Jagd machte.
Die Ameisenbären von Guayana gehören gewiß nicht zu den Tieren, die in Gefangenschaft leicht zu halten sind; aber sie sind so bezaubernd und fesselnd, daß sich die Mühe mit ihnen lohnt.
Zehntes Kapitel
Kröten und Frösche
Beim Dorf Santa Maria gab es ringsum so viele Bäche, daß wir sozusagen auf einer Insel lebten. In den kleinen Flüssen wimmelte es von jungen Kaimanen, von denen ich mir unbedingt einen guten Vorrat beschaffen wollte. Es stellte sich jedoch bald heraus, daß sie sich nicht so leicht fangen ließen wie die Krokodile in Kamerun. Dort watet man nämlich an den seichten Flüssen entlang und fängt die Tiere auf den Sandbänken. Die Bäche rings um Santa Maria waren dazu viel zu tief, abgesehen davon, daß sie nicht nur von Kaimanen bewohnt wurden, sondern auch von anderen Geschöpfen wie beispielsweise Zitteraalen und den bösartigen, blutdürstigen Karibenfischen, auch Piranhas genannt, die beide eine höchst ungemütliche Badegesellschaft sein können. Um die jungen Kaimane zu fangen, mußte ich also meine Jagdmethode den Gegebenheiten des Landes anpassen.
Wir besaßen ein großes Kanu und machten uns eines späten Abends auf die Wasserfahrt, ausgerüstet mit einem starken Leuchtstab und einer langen Stange mit angebundenem Strick, der in einem Zugknoten endete. Mit der Lampe und der Stange in den Händen saß ich im Bug, während der Paddler im Heck uns langsam und sanft über die dunklen Gewässer beförderte. Ich fand bald heraus, daß die jungen Kaimane am liebsten an Stellen lagen, wo das Kraut dicht auf der
Weitere Kostenlose Bücher