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Ein Noah von heute

Ein Noah von heute

Titel: Ein Noah von heute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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Schwänzen zu.
    Für die Schiffsreise konnte ich jedoch keinen Käfig finden, der groß genug gewesen wäre, beide zu fassen; deshalb mußte ich sie in zwei Kisten getrennt unterbringen. Aber an Bord des Schiffes schob ich die beiden Kisten eng zusammen, so daß die Ameisenbären die lange Nase hinausstecken und einander beschnüffeln konnten.
    Im Zoologischen Garten belustigten sie die Zuschauer immer damit, Boxkämpfe zu veranstalten. Sie stellten sich auf die Hinterbeine, ließen die lange Nase wie ein Pendel hin und her schwingen, und hieben mit den mörderisch aussehenden Klauen aufeinander los, wobei der Schwanz über den Boden fegte. Diese Boxkämpfe sahen bedrohlich und wild aus, aber kein einziges Mal gab es dabei eine Verletzung.

    Der zweitgrößte Ameisenbär in Guayana ist der waldliebende Tamandua. Er sieht dem Großen Ameisenbären ziemlich ähnlich, hat die gleiche lange, gebogene Schnauze, die kleinen Knopfaugen und die kräftigen Vorderfüße mit großen Hakenklauen. Sein kurzes Fell ist hellbraun, sein Schwanz lang und gekrümmt. Der Tamandua benutzt seinen Schwanz nicht wie der Große Ameisenbär als Bedeckung, sondern wie die Baumstachelschweine und die Affen in Guayana als Greifschwanz, der ihm beim Erklettern der Bäume dient. Die Tamanduas waren die dümmsten Tiere, die wir in Guayana fingen.
    Im Urwald erklimmen sie die hohen Bäume und arbeiten sich an den Ästen entlang, bis sie ein Nest Baumameisen finden. Mit ihren großen sichelförmigen Klauen reißen sie die Ameisenfestung auf und lecken mit der langen, klebrigen Zunge die Ameisen heraus. Ab und zu reißen sie ein neues Stück des Nestes auf und lecken dann weiter.
    Es fällt ihnen schwer, diese Angewohnheit in der Gefangenschaft aufzugeben, und wenn man ihnen eine Schüssel mit gehacktem Fleisch, rohen Eiern und Milch vorsetzt, hauen sie mit den Klauen hinein, lecken ein wenig auf und kratzen weiter. Gewöhnlich endet es damit, daß sie den Futternapf umwerfen.
    Auch meine Tamanduas unterlagen dem Eindruck, die Schüssel wäre eine Art Ameisennest, das zerbrochen werden müßte, wenn man an den Inhalt gelangen wollte, und nur dadurch, daß ich den Futternapf am Drahtgitter befestigte, konnte ich verhindern, daß sie sich und den Käfig mit ihrer Nahrung bespritzten.

    Der erste Zwergameisenbär, den ich erhielt, stammte aus einem Indianerdorf im Wassernetzgebiet. Den ganzen Tag war ich mit dem Kanu gefahren, hatte verschiedene Siedlungen besucht und alle Tiere erworben, die nur verkäuflich waren. In diesem Dorf nun hielt ich eine recht gute Ernte, und ich verbrachte eine unterhaltsame Stunde damit, auf übliche Weise mit den Bewohnern zu schachern. Das wickelte sich mit Zeichensprache ab, da sie mich ebensowenig verstehen konnten wie ich die Indianer.

    Durch die Menge, die mich umringte, bahnte sich auf einmal ein ungefähr sieben- bis achtjähriger Knabe einen Weg; in der einen Hand hatte er einen langen Stock, auf dem etwas saß, das ich zuerst für die Riesenraupe eines der großen Urwaldschmetterlinge hielt. Doch als ich näher hinsah, stellte ich fest, daß es ein Zwergameisenbär war, der sich mit geschlossenen Augen an den Stecken klammerte. Ich kaufte dem Jungen das Tierchen ab, und als ich es näher kennenlernte, entdeckte ich viele interessante Punkte, die in keinem der mir bekannten zoologischen Bücher erwähnt worden waren.
    Die kleinen Geschöpfe sind sechzehn bis zwanzig Zentimeter lang und vollständig bedeckt von einem dichten, weichen, goldbraunen Fell, so daß sie wie winzige Teddybären aussehen. Auch der lange Greifschwanz ist dicht bepelzt. Die rosa Sohlen ihrer Hinterfüße sind leicht gehöhlt, so daß die Tierchen beim Bäumeklettern die Füße um die Zweige krümmen können, wodurch sie einen sehr festen Griff haben. Wenn sich ein Zwergameisenbär mit den Hinterfüßen und mit dem Schwanz festhält, ist es fast unmöglich, ihn von dem Zweig wegzuziehen, ohne ihn ernsthaft zu verletzen. Wie bei seinen großen Verwandten sind die kurzen, sehr kräftigen Vorderpfoten mit drei sichelförmigen Krallen bewaffnet, einer großen in der Mitte und zwei kleinen zu beiden Seiten. Die Innenfläche der Pfote ist wie ein kleines Seidenkissen; wenn das Tier mit den Vorderpfoten zugreift, schnappen die langen Krallen mit ungeheurer Kraft auf das Kissen hinunter, ähnlich wie die Klinge eines Taschenmessers in den Schlitz paßt.
    Die Tierchen haben eine sehr merkwürdige Gewohnheit, die ihnen bei den Eingeborenen von Guayana

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