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Ein Noah von heute

Ein Noah von heute

Titel: Ein Noah von heute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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Oberfläche schwamm, so daß nur ihre vorgewölbten Augen und die Nase herausragten. Während wir sacht dahinglitten, ließ ich den Schein der Lampe da und dort über diese Krautflecken huschen, bis ich endlich die Augen eines jungen Kaimans etwa dreißig Meter entfernt aufglühen sah. Indem ich mit der einen Hand Zeichen gab, führte ich den Paddler zum Rande des Grünflecks und bedeutete ihm dann, langsamer zu fahren und zu halten.
    Während ich dem Kaiman direkt in die Augen leuchtete, beugte ich mich vor, streifte ihm die Seilschlinge behutsam über den Kopf und zog ihn mit plötzlichem Ruck aus dem Wasser und hierauf ins Boot, wo er sich wand und ein lautes Entrüstungsgrunzen ausstieß.
    Sowie die andern jungen Kaimane diesen Widerspruch vernahmen, stimmten sie meilenweit in der Runde mitfühlend ein; aber das gereichte ihnen zum Nachteil, denn lauschend konnte ich feststellen, wo sich die größte Anzahl verbarg, und so dauerte es nicht lange, bis auf dem Boden des Kanus ein prallgefüllter Sack lag, der die unglaublichsten Bewegungen vollführte und herumrutschte. Die vielen Kaimane machten einen solchen Lärm, daß wir die Jagd aufgeben mußten; da die Gefangenen im Chor grunzten und knurrten, hörte alles Getier in der Runde das Kanu kommen.

    Zu den eigenartigsten Bewohnern dieser Wasserwelt gehört die Pipakröte, auch Wabenkröte genannt, da sie in der Rückenhaut wabenförmige Vertiefungen hat, Bruttaschen, die sich auch oben deckelartig schließen. Ich fing einige dieser sonderbaren Geschöpfe in einem kleinen, lauberstickten Kanal, der von einem der großen Hauptbäche abführte. Sie waren den schmutzigen, verwesenden Blättern so ähnlich, daß ich auf den ersten Blick keine Lebewesen in ihnen erkannte. Sie sind ungefähr zwölf Zentimeter lang und sehen aus wie ganz flache, ledrige braune Papierdrachen mit einem Bein an jeder Ecke. Im Gegensatz zu den meisten Fröschen und Kröten wehrten sie sich nicht spuckend, wenn ich sie aufhob, sondern sie lagen ganz schlaff; offenbar verließen sie sich darauf, daß ihre Ähnlichkeit mit totem Laub ihnen genügend Schutz bot.
    Eines der gefangenen Exemplare war ein Weibchen mit Eiern, worüber ich mich besonders freute, da ich nun Gelegenheit hatte, — die erstaunliche Brutpflege der Pipakröten zu beobachten. Das Männchen befruchtet die hervortretenden Eier des Weibchens und streift sie ihm auf den warzigen Rüchen, wo sich infolge des Hautreizes für jedes Ei eine wabenartige Zelle bildet. Zuerst sehen die Eier wie durchsichtige Perlen aus, halb verborgen in der braunen, ledrigen Haut. Allmählich verhärtet die Hälfte des Eies, das über der Haut liegt, und bildet einen konvexen Deckel. Die Eier bleiben in diesen Zellen, machen die Verwandlung zur Kaulquappe durch, und dann entsteht die junge Pipakröte, die so winzig ist, daß es deren sechs bedürfte, um eine Briefmarke zu bedecken. Wenn die jungen Pipakröten fertig ausgebildet sind, wird der Deckel der Zelle weich, und mit Stoßen und Winden öffnen sie ihn wie eine Falltür, strecken einen Fuß oder den Kopf hervor und turnen aus ihrer Brutstätte auf den Rücken des Muttertieres, das dann an Steinen oder Pflanzen die Überreste der Zellen abreibt und eine neue Haut erhält.
    Das Pipaweibchen, welches ich im Land der Bäche fing, verbrachte seine Zeit in einer großen Blechdose; es lag ganz still auf der Oberfläche des Wassers und sah aus, als ob es nicht nur mehrere Tage tot wäre, sondern als hätte die Verwesung schon eingesetzt. Ich sah, wie die Eier auf seinem Rücken allmählich zu Deckelchen verhärteten, und dann wartete ich geduldig auf das Erscheinen der jungen Pipakröten. Aber sie verschoben ihren Eintritt in die Welt, bis ich mich auf der Heimreise halbwegs auf dem Atlantischen Ozean befand, und selbst dann wählten sie keine allzu günstige Stunde.
    Es ging auf Mitternacht zu; ich hatte gerade meine Arbeit beendet und wollte mich in meine Kabine zurückziehen. Zufällig warf ich noch einen Blick auf die Pipakröte, bevor ich das Licht im Laderaum ausschaltete, und da gewahrte ich ein sonderbares scharzes Zweiglein, das aus ihrem Rücken zu wachsen schien. Bei näherer Betrachtung stellte ich fest, daß die eine kleine Zelle gesprengt worden war, und das schwarze Ding war das Beinchen einer kleinen Pipakröte, das aus seiner Kinderstube hervorkam und hin und her schwankte. Während ich zuschaute, trat das zweite Bein hervor und dann der Kopf. Als das Tierchen einen Augenblick

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