Ein Noah von heute
sehr weit entfernt vom Ranchhaus fand. Ich machte ein Loch in das Nest, holte eine Handvoll Termiten hervor und bestreute damit die breiige Flüssigkeit in der Schüssel. Vorsichtig trug ich sie zurück und setzte sie an einer Stelle nieder, wo Amos daran gelangen konnte.
Ich rechnete damit, daß es einige Zeit dauern würde, bis er sich mit dieser neuen Nahrung abfand, doch als er die Schüssel sah, erhob er sich zu meiner Überraschung und trabte hin. Er schnupperte gründlich, ließ seine schlangenähnliche Zunge hervorschnellen und tauchte sie in die Mischung. Dann hielt er einen Augenblick inne, über den Geschmack nachsinnend, und nachdem er entschieden hatte, daß er ihm zusagte, stellte er sich über die Schüssel und ließ seine lange Zunge mit erstaunlicher Geschwindigkeit aus und ein flitzen, bis die Schüssel ganz sauber geleckt war.
Ameisenbären haben natürlich keine Zähne; um ihre Nahrung aufzunehmen, sind sie auf ihre Zunge und den klebrigen Speichel angewiesen. Manchmal gab ich Amos als besonderen Gang eine Schüssel voll Termiten, die selbstverständlich mit Klümpchen von ihrem Lehmnest vermischt waren. Staunend sah ich dann zu, wie seine lange Zunge hervorkam und in die Schüssel eintauchte, worauf die Termiten und die Lehmklümpchen wie Fliegen an Fliegenpapier daran festklebten. Doch wenn er die Zunge in die Schnauze zurückzog, fielen die Lehmklümpchen von den Lippen ab, so daß nur die Termiten eingesaugt wurden. Darin war er wirklich außerordentlich geschickt.
Nachdem wir in unser Basislager in Georgetown zurückgekehrt waren und Amos sich in seinem neuen Gehege eingewöhnt hatte, gelang es mir, ihm eine Frau zu beschaffen. Sie kam eines Tages als zusammengeschnürtes Bündel an, das man in den Gepäckraum eines Taxis gepfercht hatte. Der Mann, der sie gefangen hatte, war nicht sehr behutsam mit ihr umgegangen; sie wies am Körper mehrere böse Wunden auf und war ganz erschöpft durch Futter- und Wassermangel. Als ich ihr die Fesseln abnahm, lag sie widerstandslos auf der Seite, nur matt fauchend, und ich glaubte nicht, daß sie am Leben bleiben würde. Ich gab ihr Wasser zu trinken, und kaum hatte sie das Wasser ausgeschleckt, da wurde sie wie durch ein Wunder höchst lebendig, sprang auf die Füße und griff jeden an, der in Sicht war.
Amos hatte sich daran gewöhnt, der einzige Ameisenbär am Ort zu sein, und er empfing seine Genossin nicht sehr freundlich. Als ich die Tür seines Geheges öffnete und das Weibchen hineinschob, begrüßte er es wenig liebevoll, indem er es mit seinen Klauen auf die Nase hieb und wütend fauchte.
Daraufhin hielt ich es für besser, sie nicht beisammen zu lassen, bis sie sich aneinander gewöhnt hätten. Da Amos ein sehr großes! Gehege hatte, brauchte ich es nur in der Mitte mit Pfosten abzuteilen.
Im Gegensatz zu Amos, dessen Fütterung gar keine Schwierigkeiten gemacht hatte, bereitete mir seine Frau große Sorgen. Sie lehnte es rundweg ab, die Mischung, die ich ihr in einer Schüssel vorsetzte, auch nur zu kosten, und vierundzwanzig Stunden lang beharrte sie bei diesem Hungerstreik. Am Tag nach ihrer Ankunft kam mir jedoch ein Gedanke. Als ich Amos fütterte, schob ich seine Schüssel nahe zu den Holzstäben, die ihn von dem Weibchen trennten. Seine Tischmanieren waren nicht die besten, und wenn er fraß, konnte jeder im Umkreis von zehn Metern, auch wenn man ihn nicht sah, deutlich merken, daß er mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt war, derartige Schmatz- und Schnüffelgeräusche gab er von sich. Als die Ameisenbärin hörte, wie sehr Amos sein Frühstück genoß, ging sie neugierig zu den Stäben, um zu sehen, was er da eigentlich fraß. Sie steckte die schlanke Nase durch die Stäbe und beschnüffelte seine Futterschale, und dann tauchte sie sehr langsam und vorsichtig die lange Zunge in die Mischung. Zwei Minuten später verschlang sie das Futter mit der gleichen Geschwindigkeit und Begeisterung, die Amos entfaltete. In den nächsten vierzehn Tagen nahm sie ihr Futter immer so zu sich, das heißt, sie steckte den Hals durch die Stäbe und beteiligte sich mit ihrer langen Zunge an der Schüssel, die eigentlich Amos gehörte.
Dadurch, daß sie immer aus derselben Schüssel fraßen, gewöhn- ten sie sich aneinander, so daß ich schließlich die trennenden Stäbe entfernte und die Tiere zusammen hausen ließ. Sie bezeigten große gegenseitige Liebe, und wenn sie dicht aneinandergeschmiegt schliefen, deckten sie sich sorgsam mit den
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