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Ein Ort wie dieser

Ein Ort wie dieser

Titel: Ein Ort wie dieser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-Aude Murail
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führt dazu, dass Mattel eine ganze Straße in Barbie-Rosa streicht. In deine Zeitschrift wird eine Nivea-Probe geklebt, dein Horizont wird mit Marlboro-Reklametafeln versperrt, und Flugzeuge haben Mickey-Mouse-Bilder am Hinterteil.«
    Eloi deutete mit anklagendem Zeigefinger auf Gil: »Du bist zu einem Kleiderständer von Marken geworden! Mit acht wollen die Kids Converse-Sneaker. Mit sechzehn würden sie für eine Jacke mit Krokodil einen Mord begehen!«
    »Okay, ich bin ein Fashion-Victim«, grinste Gil. »Aber was machst du dagegen?«
    »Wenn du heute Abend um halb neun in die Rue Paul-Bert kommst, wirst du es wissen.«
    Gil hatte nie auch nur den geringsten Gedanken an die Länder der Dritten Welt und die Konsumgesellschaft verschwendet. Eloi hatte ihn nicht ins Wanken gebracht. Aber die Verabredung machte ihn neugierig. Deshalb fand er sich um fünf vor halb neun in der Rue Paul-Bert ein, nachdem er seiner Mutter und Cécile gesagt hatte, er würde sich so’n Schrottfilm für Jugendliche ansehen. Unten auf der Straße standen etwa zehn Motorradfahrer, Jungen und Mädchen.
    »Ach, du bist gekommen?«, fragte eine Stimme verwundert.
    Es war Eloi, der mit Motorradhelm und Lederjacke nicht zu erkennen war.
    »Wir fahren nach Paris«, erklärte er. »Setzt du dich hinter mich?«
    »Was machen wir in Paris?«
    Eloi hielt ihm einen Helm hin und deklamierte: »Ich habe eine geheime Selbstverteidigungsgruppe, bestehend aus Kapuzenträgern, die auf Motorrädern durch die Welt fahren, um nach Einbruch der Nacht Plakate zu zerstören.«
    »Cool«, bemerkte Gil mit einem Gesicht, das zeigte, dass ihm das völlig egal war.
    Er war hin- und hergerissen zwischen Angst und Lust. Er hatte noch nie auf einem Motorrad gesessen, und die Lust war stärker. Als das Motorrad über die Autobahn raste, vergaß Gil alles außer dem gegenwärtigen Augenblick. Er fuhr inmitten einer Motorradstaffel durch die Nacht, erfüllt von einem Gefühl der Allmacht. Ja, er würde die Welt ändern. Aber die Methode der junge Leuten, die zur AWG gehörten, der Anti-Werbe-Gang, brachte Gil zunächst aus der Fassung.
    Nachdem sie die Motorräder einem aus der Gruppe überlassen hatten, der darauf aufpassen sollte, liefen sie zu einer Metro-Station. Im Ton eines Pädagogen erklärte Eloi, was sie tun würden: »Wir werden die Kraft des Brandings gegen sich selbst wenden. Im Jiu-Jitsu kann man einen Riesen umstoßen, indem man dessen Schwung nutzt. Verrecke, verrecke, verrecke!«
    Gil zuckte zusammen: »Was?«
    »Nein, nichts, ich verhexe das nur.«
    Er deutete auf das Schild eines Tchip Burgers, an dem sie gerade vorbeigekommen waren, dann tauchte er mit der AWG in die Metro-Gänge ein. Von da an ging alles sehr schnell.
     
    Ein Mädchen und ein Junge stellten sich an den beiden Enden des Bahnsteigs auf, bereit, mit einer Trillerpfeife Alarm zu schlagen, während die anderen zum Angriff übergingen. Ihre Waffen? Eddings und Spraydosen.
    »Wir nehmen das da«, sagte Eloi und zeigte Gil ein Plakat. »Ist doch wirklich schön, oder?«
    Es war eine Werbung für ein Nahrungsersatz-Produkt.
XXL ?
stand darüber.
Wie wäre es mit S?
Eloi ging zur Bahnsteigkante zurück wie ein Fotograf, der Abstand sucht, um einen Gesamteindruck zu bekommen. Dann zog er eine Spraydose mit roter Farbe aus einer alten Tasche, die er in einem Armyshop gekauft hatte.
    »Du bist kräftig«, sagte er zu Gil.
    Gil war anderthalb Köpfe größer als er.
    »Du wirst mir helfen. Ich muss das Plakat oben taggen, damit man’s besser sieht.«
    Gil begriff sofort, was geschehen würde, denn ein Paar war bereits an der Arbeit, das Mädchen auf den Schultern des Jungen. Er fand die Situation ziemlich schräg, aber er hatte keine Zeit zu protestieren. Mit zwei Bewegungen schwang Eloi sich auf Gils Schultern. Er war sehr leicht und bemerkenswert geübt in dem, was er tat. Innerhalb weniger Sekunden war das Tag gemacht, und Gil konnte lesen:
Wie wäre es mit Magersucht?
    Eloi sprang wieder auf den Boden und zog einen schwarzen Stift und Zeichenkohle aus der Tasche. Diesmal begnügte er sich damit, auf einen der Sitze zu steigen, den die Verkehrsbetriebe ihm zur Verfügung gestellt hatten. Mit wenigen Bewegungen schwärzte er die Augen von einem der Models, schattierte dessen Wangen mit Zeichenkohle, zeichnete ihm einen Reißverschluss auf die Lippen und verwandelte das hübsche Mädchen auf diese Weise in einen ausgemergelten Zombie.
    »Ausgezeichnet«, sagte Gil anerkennend.
    »Das

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