Ein Ort wie dieser
heißt
Adbusting.
Soll ich dir’s beibringen?«
Gils Gesten erwiesen sich als weniger effizient als die von Eloi, aber das Endergebnis entlockte ihm doch ein weiteres »Ausgezeichnet!«. Dann entfernte er sich auf dem Bahnsteig, um zu bewundern, was die anderen machten.
Ein junges Mädchen mit blondem, fast weißem Haar sprühte wilde Slogans mit schwarzer Farbe. Auf ein Plakat, auf dem eine Frau im Bademantel (weich dank Schmusowoll) den Passanten den rosa Hintern ihres Babys zeigte, schrieb sie:
Verkauf nicht den Körper deines Kindes.
Ein Model, das ein Stückchen weiter zum Ruhme einer Slip-Marke ausgezogen worden war, wurde mit dem Slogan versehen:
Verschleiert oder ausgezogen – beides ist Sklaverei.
Gil ging zu Eloi zurück, der vor einem Plakat stand, auf dem Fernseher und DVD -Player mit 20 % Rabatt und der Anweisung angepriesen wurden:
Zu dem Preis nehmen Sie doch beide!
Eloi schrieb darüber:
Ich will lieber Spaß als Besitz.
Als alle Plakate der Station ein neues Aussehen bekommen hatten, kehrte die AWG an die Oberfläche zurück. Nächstes Ziel: Die Metro-Station La Madeleine. Gil sah auf die Uhr.
»Sag mal, das wird ein bisschen spät für einen Kinoabend …«
Eloi nickte. Er rief: »Nathalie!«
Das blonde Mädchen drehte sich um.
»Ich fahre Gil zurück. Passt du auf?«
Sie erwiderte schroff: »Ich mach, was ich will.«
Eloi gab mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er nicht diskutieren würde, dann murmelte er: »Verrecke, verrecke, verrecke …«
Denn er ging gerade wieder am Tchip Burger vorbei. Eine Stunde später setzte er Gil unten an dessen Haustür ab. Bevor er weiterfuhr, kramte er ein letztes Mal in seiner Tasche und hielt Gil dann ein dickes Buch mit rotem Cover hin, das den Titel
No logo
trug, unter dem als Untertitel zu lesen war:
Der Kampf der Global Players um Marktmacht – ein Spiel mit vielen Verlierern und wenigen Gewinnern.
»Da hast du was zum drüber Nachdenken«, sagte er.
Gil, den das Wachsen müde machte, brauchte mehrere Tage, um sich von seiner Tour zu erholen.
»Er darf unter der Woche abends nicht mehr weggehen«, sagte Cécile zu ihrer Mutter.
»Ja, das stimmt«, antwortete Madame Barrois, die aber gutmütig war. Gil war ein Junge. Und so entging er seinem Gericht.
Eines Dienstags begann Cécile mit den Lesestunden in der Bibliothek. Omchen war anwesend, und als sie sah, wie Baptiste und Tom anfingen, sich mit den Kissen zu hauen, juckte es ihr in der Hand.
»Die Kissen sind zum Draufsitzen da«, bemerkte Cécile. »Also, welche Geschichte suchen wir uns aus?«
»Die da, die da!«, schrien die Kinder.
Sie zeigten mit dem Finger auf ein Buch in einem Ständer oder rannten, um ein anderes aus den Regalen zu holen. Omchen war völlig sprachlos. Diese junge Frau konnte doch keine Lehrerin sein. Bestenfalls eine Vertretung.
Cécile nahm eines der Bücher, die die Kinder ihr hinhielten.
»Das ist eine Geschichte, die
Guten Tag, Herr Tod
heißt. Wollt ihr, dass ich sie euch vorlese?«
»Nein! Bloß nicht!«, rief Robin empört. »Das ist doch traurig, der Tod.«
»Also, mein Hamster, der ist gestorben, und da war ich traurig«, sagte Eglantine. »Ein bisschen traurig.«
»Alsso bei mir, da isst mein Opa gestorben«, sagte Louis, den Blick ganz in der Ferne.
»Das ist normal, Opas sind alt«, fuhr Eglantine fort. »Wenn man alt ist, stirbt man.«
»Mama hatte ein Kind, das ist gestorben«, wandte Toussaint ein. »Deswegen hat Alphonse seinen Zwilling nicht mehr.«
»Das ist Pech«, sagten die Kinder, und Eglantine drückte Toussaint die Hand.
Omchen hörte zu, wie die Kleinen untereinander schwatzten, und konnte es nicht fassen, dass die Lehrerin sie reden ließ, wie es ihnen passte.
»Lesen wir jetzt die Deschichte oder nicht?«, fragte Audrey ungeduldig.
Und Cécile begann: »Es war einmal eine sehr alte Bäuerin, die allein auf einem Bauernhof in wahrlich erbärmlichen Verhältnissen lebte. Ihr Mann war schon vor langer Zeit gestorben. Als Gesellschaft blieb ihr nur noch eine Katze, ein Huhn, eine Ziege und eine Kuh. Sie konnte fast nicht mehr hören und sehen. Und doch hatte die Alte trotz ihrer neunundneunzig Jahre nicht das geringste Bedürfnis zu sterben.«
Robin lutschte am Daumen, und Omchen hörte mit offenem Mund zu. Sie war einundsiebzig, ihr Mann war schon vor langer Zeit gestorben, und sie hatte nicht das geringste Bedürfnis zu sterben. Aber der Tod klopfte an die Tür.
»›Wer?‹ – ›Der Tod!‹, rief die
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