Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Ort wie dieser

Ein Ort wie dieser

Titel: Ein Ort wie dieser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-Aude Murail
Vom Netzwerk:
Mutter merkte es.
    »Lass es mir da, ich unterschreibe es. Aber es würde mich wundern, wenn dein Vater einverstanden wäre, das zu bezahlen.«
    Sie holte Essig und Öl aus dem Schrank und machte sich an die Salatsauce. Die Anwesenheit ihrer Tochter in ihrem Rücken störte sie.
    »Kommt nicht gleich deine Sendung?
Superstar Kids?
«
    Audrey hüpfte vor Freunde.
    »Ohh, ja!«
    Wenn sie nicht gut für die Schule war, könnte sie schließlich immer noch im Fernsehen singen.
     
    An diesem Abend trat dort
Street Generation
auf, vier Mädchen zwischen zehn und zwölf, die sich im Licht der Scheinwerfer in den Hüften wiegten, die Hände über ihre nichtvorhandenen Brüsten bewegten oder auf ihre Pobacken hielten. Audrey machte sie nach und sang mit großer Überzeugung: »Wir machen heute Party, wir singen unsern Hit! Mach dich locker und mach mit!«
    Ihre Mutter stellte die Salatschüssel auf den Tisch und betrachtete ihre hüftwackelnde Tochter, ohne recht zu wissen, was sie davon halten sollte.
    »Eine Party …«, bemerkte sie dann und schnaubte. »Deck den Tisch und schmeiß die Teller nicht runter!«
    Audrey fügte sich, ohne den Fernseher aus den Augen zu lassen. Gerade begann Lea, die voll Romantische aus der Gruppe, ihren letzten Hit:
    »Dieser Junge nahm mein Herz
    jetzt hat er es für immer.
    Sag das aber nicht Mama
    sonst wird es noch viel schlimmer.«
    Vor Bewunderung war Audrey wie versteinert.
    »Ohh … tann die toll singen«, murmelte sie.
    Dann wollte sie ihre Begeisterung mit ihrem Vater teilen: »Papa, hast du desehen? Das ist ein Mädchen, das da singt!«
    »Ob die singt oder pupst ist mir doch egal«, antwortete er.
     
    Bei den Barrois’ war am Abend die kleine Familie vollständig im Wohnzimmer vereint. Gil lag quer in einem Sessel und quälte sich durch ein dickes Buch mit rotem Cover. Cécile beobachtete ihn amüsiert aus den Augenwinkeln. Er seufzte und gähnte, ließ seine Finger knacken und kämpfte gegen den Schlaf. Madame Barrois saß an einem Ende des Tisches und putzte grüne Bohnen. Am anderen Ende korrigierte Cécile die Hefte ihrer Erstklässler. Wenn sie die abgehackte Schrift von Baptiste, die ungeordnete Schrift von Steven und die fast erwachsene von Vincent betrachtete, war sie versucht, darin die Zukunft der Kinder zu lesen.
    »Stört’s dich, wenn ich den Fernseher anmache, Sissi?«, fragte Gil.
    »Kommt jetzt nicht
Wer wird Millionär?
«, bemerkte Madame Barrois.
    »Wow, cool!«, rief Gil mit gespielter Begeisterung.
    Der Moderator war bei seiner 1500 -Euro-Frage:
    »
Im Gegensatz zum Hirsch hat die Hirschkuh
    keine Hufe
kein Fell
keine Ohren
kein Geweih
«
    »Keine Eier!«, brüllte Gil aus seinem Sessel.
    Mutter und Tochter Barrois taten, als hätten sie nichts gehört. Aber Cécile dachte: Vergoldete Eier, Montoriol, Montoriol im Schlafanzug. Aber vielleicht schlief er nackt? Plötzlich wurde ihr bewusst, was für unanständige Gedanken ihr da kamen. Warum dachte sie nur an so etwas? Sie nahm ihren roten Stift und schrieb in Philippines Heft:
Bravo, sei weiter so gewissenhaft und fleißig!

Kapitel 6 In dem Louis dem Herrn Tod guten Tag ssagt
    Als Eloi Gil vorgeschlagen hatte, die Welt zu verändern, hatte der eine neue Form von Anmache vermutet. Dem war nicht so. Eloi wollte wirklich die Welt verändern.
    Eloi war immer mehr in die Details gegangen und hatte fieberhaft erklärt, dass die Multis ihre Produkte in den Ländern der Dritten Welt herstellen lassen, wo sie die Menschen ausbeuten und alles rausschmeißen, was nur entfernt einer Gewerkschaft ähnelt.
    »Nur ein Beispiel. In Lesotho, in Afrika, arbeiten Hunderte von Frauen neun Stunden am Tag an ihren Nähmaschinen bei Neonlicht. Damit verdienen sie hundert Euro im Monat. Ohne Krankenversicherung, ohne Mutterschutz. All das, um Levi’s-T-Shirts für dich zu machen!«
    »Dafür kann ich doch nichts«, protestierte Gil.
    »Warte, ich erklär’s dir«, fuhr Eloi fort, der schon auf hundertachtzig war. »Wenn du ein Marken-T-Shirt kaufst, ist das Teure daran nicht das Material und auch nicht der Arbeiter, sondern das Branding.«
    »Das was?«, fragte Gil.
    »Das Branding. Früher bekam das Vieh ein Brandzeichen, heute kriegen das die Verbraucher … Das kostet Milliarden und führt wozu?«
    Eloi fürchtete, von seinem Chef unterbrochen zu werden, und stieß mit der Geschwindigkeit einer Maschinenpistole hervor: »Zu Sportlern, die im Fernsehen Burger futtern. Zu Wurstwarenkonzernen, die Segelsport betreiben, es

Weitere Kostenlose Bücher