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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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Frage.
    »Wieso weiß er nicht mehr, daß man auf ihn geschossen hat? Wie kann man so was vergessen? Wenn mich einer abgeknallt hätte, wüßte ich das.«
    »Charles ist in mancher Hinsicht sehr dünnhäutig, Mrs. Ortega«, sagte Mallory. »Sie sind robuster.«
    Mrs. Ortega wuchs um mindestens zwei Zentimeter und bemühte sich tapfer, mit Mallory Schritt zu halten.
    »Es ist besser so«, setzte Mallory hinzu. »Sensiblen Menschen ist ein Unfall als Erklärung lieber. Daß jemand absichtlich versuchen könnte, sie mit Blei vollzupumpen, ist für sie eine grauenvolle Vorstellung.«
    »Aber was passiert, wenn er eine Zeitung in die Hand kriegt und liest, wer auf ihn geschossen hat?«
    »Ich will ein paar Monate mit ihm wegfahren, vielleicht machen wir eine ausgedehnte Kreuzfahrt. Inzwischen tagt die Anklagejury, entscheidet, ob es zu einem Prozeß kommt, und gegebenenfalls verhandeln Anklage und Verteidigung über mildere Strafen im Fall von Schuldbekenntnissen. Bis wir zurück sind, ist das alles Schnee von gestern. Kann sein, daß ich es ihm dann sage.«
    Als Mrs. Ortega stehenblieb und ihr nachsah, konnte sie eine merkwürdige Beobachtung machen: Je weiter Kathleen Mallory sich auf dem leeren Gang von ihr entfernte, desto größer schien sie zu werden.
    »Auch eine, die eigentlich auf einen anderen Stern gehört«, sagte Mrs. Ortega.
    »Sie können doch jetzt nicht so einfach weg, Kathy!«
    »Mallory bitte!«
    Edith Candle trat zurück, während Mallory das weiße Tuch ausbreitete, das die Couch in ein Gespenst verwandelte. Das Zimmer stand voller Gespenster. Sämtliche Möbel in Charles’ Wohnung waren gewissenhaft mit Schutzbezügen abgedeckt.
    »Morgen tritt die Anklagejury zusammen«, sagte Edith. »Sie müssen für mich aussagen.«
    »Ich bin nicht vorgeladen.«
    Mallory ging in die Küche, und Edith folgte ihr mit besorgtem Gesicht. Mallory sah in den Kühlschrank. Mrs. Ortega hatte ihn ausgeräumt. Sehr schön, da konnte nichts verderben.
    »Die Sache ist die, Edith: Ich konnte bei der Polizei und beim Staatsanwalt keine zusammenhängende Aussage machen. Ich mußte immer gleich weinen. Daraufhin meinten sie, als Zeugin wäre mit mir wohl nicht viel anzufangen. Ihr Anwalt ist auch dieser Ansicht.«
    »Aber ich habe Gaynor getötet, um Ihnen das Leben zu retten. Sie haben die Schrift an der Wand gesehen, das müssen Sie aussagen.«
    »Ich glaube nicht, daß okkulte Beweise vor der Anklagejury zugelassen sind, da geht es nämlich sehr handfest-irdisch zu. Die Kugel in Gaynors Schulter kam aus meiner Waffe. Eben jener Waffe, die man mir mühsam entwinden mußte, weil ich unter Schock stand. Die tödliche Kugel kam aus dem nicht zugelassenen Revolver, der sich in Ihrem Besitz befand, ebenso die beiden Kugeln, die Charles trafen, und die, die in meiner kugelsicheren Weste stecken blieb.«
    »Herberts Revolver. Aber er weigert sich –«
    »Herbert würde den illegalen Erwerb einer Waffe nie zugeben. Bei Ihren Gaben wundert es mich eigentlich, daß Sie das nicht vorausgesehen haben. Und Henrietta hat ja den Revolver nie zu Gesicht bekommen. Bleibt noch Martin. Aber dem Staatsanwalt wurde es wohl zu anstrengend, ihm jedes Wort einzeln aus der Nase zu ziehen.«
    »Ich soll wegen Mordes in einem Fall und versuchten Mordes in zwei Fällen angeklagt werden. Sie wissen, daß Gaynor der Mörder war. Sie wissen, daß ich Sie und Charles gar nicht hätte töten können. Gaynor hatte die Waffe in der Hand, das haben Sie doch gesehen.«
    »Ich kam aus der Dunkelheit in gleißendes Licht, und an das, was geschah, nachdem auf mich geschossen wurde, erinnere ich mich nicht mehr. Typisches Schocksymptom. Gaynor hatte keine Waffe in der Hand, als Coffey ihn fand. Die hatten Sie. Und nur an Ihren, nicht an seinen Händen waren Schmauchspuren.«
    Niemand hatte den Plastikbeutel bemerkt, der vor dem letzten Schuß aus dem Keller verschwunden war und an dem Fingerabdrücke und Schmauchspuren hafteten. Vielleicht war er heruntergefallen, als man sie und Charles in den Krankenwagen gehoben hatte.
    »Sie wissen, daß Gaynor ein Mörder war. Sie müssen aussagen, daß ich in Notwehr gehandelt habe.«
    »Das wird schwierig sein, Edith. Man hat aufgrund der Flugbahn festgestellt, daß es ein Kopfschuß aus allernächster Nähe war und daß Gaynor dabei am Boden lag.«
    »Er war ein Mörder.«
    Ediths Stimme kletterte in jene Höhen, in denen die Angst wohnt.
    »Die Justiz sieht es nicht so.« Mallory holte ihr Notizbuch heraus und

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