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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Mauer, zu schmal, um hindurchzukriechen. Er wäre ohnehin nicht weit gekommen. Eine Mauer umgab das Gelände, ein ehemaliges christliches Kloster. Er hatte ein Tor mit Wachposten gesehen. Mofas unter einem Wellblechdach. Die Bewaffneten jenseits der Mauer, halb verborgen hinter Felsbrocken, in dem gewellten Tal, das sich bis zum Horizont zog.
    Das Couscous dagegen war geblieben. Couscous süß, vor wenigen Minuten. Der vierte Tag in Gefangenschaft hatte begonnen. Dazu der Abend der Entführung und die erste Nacht. Vierundachtzig, fünfundachtzig Stunden.
    Auch hier, in der Klosterzelle, lagen auf dem Boden Steine, allerdings wenige. Mehr Erdbröckchen, weniger Steine. Vier, dachte er und befühlte die Hosentasche von außen.
    Sie müssen sich beruhigen, Monsieur Richter, bald sind Sie frei, hatte Madjer am späten Abend gesagt. Nur noch ein paar Tage. Und jetzt versuchen Sie zu schlafen.
    Für ein paar Tage würden die Steinchen in seiner Zelle reichen. Auch für eine Woche, falls Madjer log. Danach würde er sich ein anderes System überlegen müssen.
    In den ersten Minuten nach der gescheiterten Flucht war Madjer voller Zorn gewesen. Wie oft haben wir Ihnen gesagt, dass Ihnen nichts geschehen wird? Dass wir nur mit Ihnen reden wollen? Weil Sie uns nicht glauben wollten, mussten vier Männer sterben!
    Richter hatte verwirrt geschwiegen. Aus dem Opfer war ein Täter geworden.
    Er hatte im orangefarbenen Abendlicht im Hof gesessen, umgeben von einem Dutzend Männer und Frauen, deren Gewehre auf ihn gerichtet waren. Andere hatten die Leichen herausgetragen. Er hatte versucht, nicht an Toni zu denken. An den Anblick, als dessen Kopf von der zweiten Kugel zerrissen worden war.
    Die Gewehre hatten ihm dabei geholfen. Neun AK -47, unterschiedliche Produktion. Zwei amerikanische M16. Ein G3 von Heckler & Koch, Lizenzfertigung. Er hatte lange abgewogen, bis er sich festlegte. Pakistan Ordnance Factories, Lizenz seit Anfang der sechziger Jahre.
    Neun, zwei, eins. Er hatte Steinchen gesammelt, Häufchen gebildet: neun, zwei, eins.
    Plötzlich war Madjer vor ihm auf die Knie gefallen, hatte ihn an den Armen gepackt, das Gesicht von Wut und Bestürzung verzerrt. Sie müssen Geduld haben, Monsieur Richter! Nur noch ein paar Tage! Hören Sie?
    Ja.
    Wenn Sie noch einmal zu fliehen versuchen, wird man Sie erschießen! Verstehen Sie mich?
    Ja.
    Madjers Knie hatten die Steinchenhaufen zerstört.
    Er hatte begonnen, neben den Knien nach neuen Steinchen zu suchen.
    Ein Kopf zerplatzte, kam in einer Blutlache zur Ruhe.
    Er hatte die Hände vors Gesicht gehoben, zu weinen begonnen.
    Die Hügel jenseits des Fensters färbten sich rötlich, als das nächste Verhör begann. Dieselben Fragesteller, dieselben Fragen. Er wusste, dass sie prüfen wollten, ob er dieselben Antworten gab. Falls nicht, wüssten sie, dass er log.
    Er log nicht.
    »Hat Meininger Rau eigene Lkws, oder werden sie angemietet?«
    »Sie werden angemietet.«
    »Welche Spedition?«
    »Talheim Transport in Frankfurt.«
    Das rötliche Licht fiel auf die Gesichter der beiden Männer, die nicht vermummt waren. Er sah Bartstoppeln, Müdigkeit. Entbehrungen. Der eine mochte dreißig sein, der andere Anfang fünfzig. Er fand sie noch distanzierter als sonst, was nach den Ereignissen vom Vorabend nicht verwunderlich war. Sie sprachen kühl, ihrer selbst gewiss, und zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass sie Erfahrung besaßen im Fragenstellen. Sie mussten Kriminalbeamte sein oder dem Geheimdienst angehören.
    Keine Islamisten. Al-Qaida war nur Tarnung. Wie Toni gesagt hatte. Soldaten, irgendeine Spezialeinheit. Doch warum dann die Fragen?
    »Wie sind die Gewehre verpackt?«
    »Einzeln in … in Polyethylentaschen. Fünf Gewehre in einem Karton, zwei Kartons in einer Holzkiste.«
    »Die Maße der Kisten?«
    »Hundertdreißig mal fünfundsechzig mal sechzig Zentimeter.«
    »Wie schwer ist eine Kiste?«
    »Siebzig Kilo.«
    »Wann findet der erste Transport statt?«
    »In der zweiten Novemberhälfte.«
    »Wie viele Gewehre?«
    »Viertausendachthundert.«
    »Wie viele Lkws?«
    »Vier.«
    »Sattelzüge oder Zugfahrzeuge und Anhänger?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Wie viele Kisten pro Lkw?«
    »Einhundertzwanzig.«
    Sie wollten die Gewehre, das war gewiss. Alle Fragen drehten sich um die Auslieferung des ersten Loses. Viertausendachthundert von zwanzigtausend Sturmgewehren für die algerische Armee. Sie wollten sie zwischen Altniederndorf und Hamburg abfangen. Deshalb hatten sie ihn

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