Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
Vom Netzwerk:
verschwand wieder im Dunkeln, die Fensterläden dort waren noch geschlossen. Ins Esszimmer dagegen kroch erstes Sonnenlicht, helle Linien an der Decke, den Wänden. Cap Matifou war im Ursprung gleißenden Lichts verschwunden.
    »Amel …« Erneut griff Eley nach den Zigaretten. In plötzlicher Wut knüllte er die Packung zusammen und warf sie von sich.
    »Soudani fliegt heute Abend nach Deutschland«, sagte Amel.
    Er ging zur Tür, entdeckte sie nicht sofort. Sie lehnte an der Zwischenwand neben einem der Regale, die Hände hinter dem Rücken, der Kopf leicht zur Seite geneigt. Etwas war vom Zusammenbruch bedroht, er wusste das.
    »Zu Meininger Rau?«
    Sie zog die Schultern hoch, ließ sie fallen.
    Deutschland, dachte er. Es konnte alles bedeuten und nichts. Weitere Geschäfte mit Meininger Rau oder Elbe Defence. Vielleicht fehlten Unterschriften. Oder Elbe hatte Richters wegen bei Soudani vorgesprochen, nun musste einer der wichtigsten Rüstungspartner beruhigt werden, also flog er rüber.
    »Es ist kein Beweis«, sagte Amel.
    »Nein, ist es nicht.«
    »Es gibt keine Beweise. Du musst dich irren.«
    Er trat zu ihr, streckte die Hand aus, sie reichte ihm ihre. Die Finger waren kühl und ohne Kraft, wollten sich nicht mit seinen verbinden. Eley spürte, dass sie weit weg war, die Angst bekämpfte. Belogen Toumi und Soudani sie? Wurde sie von le pouvoir verraten? Fragen, die das akribisch austarierte Konstrukt der Stabilität zerstörten. Sie wollte keine Antworten, nur dass er sich irrte. Sie brauchte die Sicherheit, dass nie wieder passieren würde, was passiert war, 1996 in einem Dorf im Tellatlas, in den Jahren davor und danach, überall im Land.
    Als sie sich ihm zuwandte, war ihr Blick entschlossen. Sie hatte die Fassung wiedergewonnen, den Glauben an le pouvoir . Was nicht sein durfte, konnte nicht sein.
    »Ich muss los.«
    Im selben Moment klingelte es, nicht unten, sondern oben, an der Wohnungstür. Sie sahen sich an, warteten.
    Erneut die Klingel, lang und hoch und aggressiv, dann ein Klopfen, kaum zu hören durch die Stahltür. Wie aus weiter Ferne erklang eine hohe Frauenstimme, rief seinen Namen.
    »Die Concierge«, sagte Eley.
    »Was will sie?«
    »Keine Ahnung.« Er ging die Möglichkeiten durch, Wasserschaden, Brand, Einbruch, vielleicht brauchte sie Hilfe? Aber dann hätte sie doch angerufen.
    Wieder die Klingel, noch länger und giftiger. Amel schloss die Augen, ihre Ohren bewegten sich nach hinten wie die einer von Lärm gepeinigten Katze.
    »Ich rede mit ihr.«
    »Nein«, flüsterte sie, »mach nicht auf!«
    Das Klopfen, lauter diesmal. Erneut die Stimme, Ärger und Furcht und Hysterie.
    Plötzlich herrschte Stille.
    Als sie dachten, es sei vorbei, hörte Eley einen Schlüssel ins Schloss gleiten.
    Er lief zur Tür, hielt die Klinke fest, spürte den Gegendruck. Amel war ihm gefolgt und zerrte Mantel und Kopftuch vom Haken, ihre Schuhe, die sie neben seine unter die Garderobe gestellt hatte. Lautlos rannte sie den Flur hinunter. Vor dem Schlafzimmer blieb sie stehen und wandte sich um.
    Eley nickte, rang sich ein Lächeln ab.
    Aber er ahnte jetzt, dass die Concierge nicht allein war. Irgendjemand stand dort draußen bei ihr.
    Jenseits der Stahltür erklang ihre Stimme, ein leises Jammern auf Algerisch. Eine ruhige Männerstimme antwortete. Eley brauchte ein paar Sekunden, bis er sie erkannt hatte.
    Die Stimme von Abderrahmane Toumi.

31
    IRGENDWO IN ALGERIEN
    Peter Richter sah das Licht über die Hügel kommen. Wie eine träge, lautlose Flut kroch es heran und holte vor seinen Augen Hänge und Kuppen aus der Dunkelheit, ein steinernes Dorf an einer Bergflanke, vereinzelt Wachen mit Gewehren. Ließ Farben entstehen, Grün, Grau, Ocker, Braun in allen Varianten, mattes Rot, das Blau des Himmels. Und Schmerz, von seinen Pupillen bis tief in den Schädel hinein.
    Als der Schmerz übermächtig wurde, schloss er die Augen, wandte sich von dem kleinen Fenster ab, begann darauf zu warten, dass seine Nerven zur Ruhe kamen und er dem Licht wieder zusehen konnte.
    Der Tod der vier Männer hatte manches geändert.
    Keine Kapuze mehr.
    Vor allem aber hatten sie ihn nicht in die Finsternis unter dem Erdboden zurückgebracht, sondern in das andere Gebäude geführt. Er »wohnte« im oberen Stockwerk in einem Raum, der an eine Klosterzelle erinnerte. Ein schmales Bett, Tischchen und Stuhl aus Holz, ein Waschbecken.
    Tageslicht.
    Doch die Tür war verschlossen und das Fenster nur ein gut handbreiter Schlitz in der

Weitere Kostenlose Bücher