Ein paar Tage Licht
Tür schloss.
Madjer hatte sich wieder gesetzt. Kleine, warme Hände schlossen sich um seine. Er öffnete die Augen nicht.
»Einer der Toten war ein Cousin von ihr.«
Richter schluckte Tränen, nickte. Vier Tote, dachte er. Vier Steinchen. So viele Tote wie Tage. Er wollte die Hände aus Madjers Griff lösen, um vier Steinchen für die Toten zu suchen. Konnte sie nicht befreien.
»Hören Sie mir zu«, sagte Madjer dicht vor ihm.
Sie würden ihn am Montag mit einem Schiff nach Süditalien bringen und zur Botschaft in Rom fahren. Von dort werde er nach Deutschland fliegen. Auf diese Weise bekämen die algerischen Geheimdienste keine Möglichkeit, ihn zu verhören. Den deutschen Behörden werde er erzählen, was alle glaubten – dass er von al-Qaida im islamischen Maghreb entführt worden sei. Dass er ununterbrochen eine Kapuze getragen und nichts und niemanden gesehen habe. Dass sie ihn wahrscheinlich in der Wüste versteckt gehalten hätten. Es sei am Tag sehr heiß gewesen und nachts sehr kalt. »Sie werden nie nach Algerien zurückkehren. Das ist die Bedingung.«
Richter öffnete die Augen. »Sie werden mich hier töten.«
Madjer löste den Griff, stand auf. »Nein. Vertrauen Sie mir.«
»Karima. Sonst jemand.« Fünf Steinchen, dachte er, hob eine Hand und spreizte die Finger. »Cinq, Madjer. Cinq morts.«
»Wir sind nicht so, Monsieur.« Madjer stellte den Stuhl an den Tisch zurück und ging zur Tür.
Richter folgte ihm mit dem Blick, nahm ihn nur verschwommen wahr.
Fünf Steinchen.
Eine Portion Fleisch, ein Bier – die Henkersmahlzeit.
32
ALGIER
Eley und Steve in der »Milk Bar«, sprachen, die Köpfe dicht beieinander. Steve, mit dem Smartphone beschäftigt. Eley und Steve, reichten sich zum Abschied die Hand …
Die Fotos, von denen Amel gesprochen hatte.
»Sie haben gefährliche Freunde, Monsieur Eley.«
»Steve? Was macht ihn gefährlich?«
»Dass er für die CIA arbeitet.«
Toumi saß auf dem Sofa, vorgebeugt, Ellbogen auf den Oberschenkeln, wirkte in dieser jovialen Pose, als hätte er schon oft dort gesessen. Auch ich bin ein Freund, besagte sie, aber ein ungefährlicher. Wie Amel sah man ihm die Müdigkeit und den Druck an. Die Haare glänzten nicht, kein Gel heute, keine Zeit für Eitelkeit. Er wirkte noch blasser, noch jünger als sonst. Noch intelligenter und mysteriöser.
Er war nicht allein gekommen. Im Treppenhaus warteten zwei DDSE -Schläger. Nur Sie, hatte Eley gesagt. Sonst gibt es kein Gespräch. Lächelnd hatte Toumi akzeptiert.
Eley hatte im Wohnzimmer Läden und Fenster geöffnet, in der Hoffnung, dass Toumi den Duft von Amels Parfüm nicht wahrnahm. Dann hatte er auf der anderen Seite des Glastisches Platz genommen, Toumi die Zigaretten hingehalten, schweigend hatten sie die ersten Züge genommen.
Von draußen drang der Lärm des Morgenverkehrs herein. Möwen schrien.
» CIA ? Das wüsste ich.«
»Scott Deveraux«, sagte Toumi. »Moskau, Riad, Djakarta, dann Algier. Ein erfahrener Mann.«
»Und doch offensichtlich enttarnt.«
»Nicht von uns, leider, so gut sind wir nicht.«
»Ihre französischen Freunde?«
Toumi zuckte mit den Schultern. »Gelegentlich brauchen sie etwas von uns.«
»Überflugrechte nach Mali zum Beispiel?«
»Oder einen Namen. Wir kennen die Banlieue von Paris besser als sie.«
Eleys Blick kehrte zu den Fotos zurück. Plötzlich war er sicher, dass Toumi nicht ihretwegen gekommen war. Er wusste mehr. Wollte etwas. Hatte ein Ass im Ärmel.
»Warum haben Sie sich mit Mr. Deveraux getroffen?«
»Wir frühstücken manchmal zusammen.«
»Bitte«, sagte Toumi gelangweilt.
»Die Expats mögen die ›Milk Bar‹, Toumi. Die Italiener gehen hin, die Franzosen, die Amerikaner. UN -Leute. Ich bin jeden Morgen dort.«
Toumi nickte, hielt die gespreizten Finger vor sich, beruhigend. Bot einen Deal an, wie Eley es erwartet hatte. Tun wir so, als dürftest du in Algerien ermitteln wie in Deutschland. Könntest dich bewegen, wie du wolltest. Fragen stellen, Zeugen suchen, Informationen beschaffen. Tun wir so, als würde dich niemand dafür zur Rechenschaft ziehen.
»Tun wir so«, sagte Eley.
»Gut. Worüber haben Sie mit Mr. Deveraux gesprochen?«
»Über einen seiner Romane. Algerian Rhapsody. «
Toumi lächelte. »Kein schlechtes Buch.«
»Ein bisschen kitschig, wenn Sie mich fragen.«
»It’s all about love«, sagte Toumi mit tiefer, »amerikanischer« Stimme. Ein Achselzucken, ein Lächeln, er schien sich verdammt sicher zu
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