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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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er.
    Djamel war in seine Turnschuhe geschlüpft, Hamza ging voran, barfuß, in den Keller. Vorsichtig tasteten sie sich im Dunkeln an der rauen Wand entlang. Djamel hielt den Oberkörper zur Seite gedreht, das Messer stoßbereit. Er achtete darauf, nicht zu dicht bei Hamza zu sein, falls es doch um ihn ging.
    Dann hörte er, wie Hamza einen Schlüssel im Schloss herumdrehte. Kalte Luft strömte herein, das Blau der Nacht. Sie stiegen eine Treppe hoch, befanden sich auf der Rückseite des Hauses. Ein Gemüsegarten, Obstbäume, dann der Wald. Unmittelbar vor der Ecke knieten sie sich hin.
    »Le pouvoir?«, flüsterte Hamza an seinem Ohr.
    Djamel nickte. Er glaubte nicht an Zufälle. Ein Dieb, ein Betrunkener, der seinen Rausch ausschlafen wollte? Nein, der Mann im Auto hatte andere Absichten.
    »Dann muss er euch gefolgt sein.«
    Er schüttelte den Kopf. »Wir haben aufgepasst. Das Auto gewechselt. Er ist an dir dran. Wegen Italien?«
    Ihre Blicke begegneten sich.
    »Oder weil du damals desertiert bist«, sagte Djamel.
    »Sie dürfen nicht wissen, dass ich zu euch gehöre.«
    Hamza hatte recht. Seine Frau und sein Sohn wären in Gefahr. Die ganze Operation. »Wir müssen herausfinden, ob er allein ist.«
    »Ich kümmere mich darum.«
    »Lass mich das machen.« Djamel hatte an Noureddine gedacht, daran, dass er, ein Benmedi, vielleicht ein Omen war, das Unglück brachte. Der Vaterlose im Bett des Jungen.
    »Wir brauchen dich«, sagte Hamza. »Gib mir fünf Minuten.«
    Dann war er um die Hausecke verschwunden.
    Mit halb geschlossenen Augen lauschte Djamel. Schließlich nahm er ein leises, metallisches Klicken wahr – die Autotür. Er legte sich auf den betonierten Weg, der um das Haus herumführte, schob sich zur Ecke. Hamza hockte weiter vorn an der Mauer, kaum sichtbar vor deren dunkelgrauem Sockel. Zwei Meter weiter stand eines der Autos der Familie.
    Jetzt huschte Hamza auf Händen und Füßen zu dem Wagen, blieb für einen Moment tief geduckt an der Stoßstange hocken. Langsam kroch er weiter, verschwand hinter der Hauswand.
    Im selben Moment erschien jenseits des Autos eine Gestalt, die sich rasch in Richtung Dorf entfernte. Ein mittelgroßer Mann, bewegte sich nahezu geräuschlos. Er drehte sich ein-, zweimal um, hatte den Wald erreicht, verschwand darin.
    Weitere Sekunden verstrichen, ohne dass Djamel Hamza sah oder hörte. Plötzlich tauchte er auf der anderen Straßenseite auf. Er rannte auf die Wiese, die Dunkelheit verschluckte ihn.
    Djamel wartete fünf Minuten, dann erhob er sich. In der Mitte der schmalen Straße laufend, folgte er den beiden. Immer wieder hielt er kurz inne, konzentrierte sich auf Geräusche. Ein Motor in der Ferne, ein Knacksen irgendwo zwischen den Bäumen, sonst war nichts zu hören. Die Kreuzung, sie waren von links gekommen, vom Dorf, instinktiv rannte er in diese Richtung. Sein Atem ging schnell, kam ihm zu laut vor in der Stille.
    Weiter vorn wurde es heller, das Waldstück endete, hell lag das Mondlicht auf den Wiesen, auf den Dächern des Dorfes. Als er keine dreißig Meter mehr vom Waldrand entfernt war, bemerkte er die Umrisse eines Wagens, der in einem Forstweg stand, mit der Front zur Straße. Er lief darauf zu.
    Die Türen geschlossen, im Inneren saß niemand. Als er die Hand auf die Motorhaube legte, spürte er einen Rest Wärme.
    Plötzlich hörte er keuchende Atemzüge.
    Das Messer stoßbereit, ging er um das Auto herum.
    Hamza und der Mann lagen nebeneinander auf dem Rücken, der Fremde reglos, sein Kopf war weit zur Seite gedreht, der Bauch aufgerissen, schwarz glänzend von Blut. Ein Algerier, Ende zwanzig, schmales Gesicht, die Haut weißlich, eher ein Junge aus der Banlieue von Paris als aus Algier.
    Djamel kniete nieder, suchte den Puls, fand ihn nicht. »Bist du verletzt?«
    Hamza schüttelte den Kopf, blieb liegen, schwer atmend. Auch er war voller Blut, an Armen und Händen, das Blut des Toten, am rechten Bein hatte er tiefe Kratzer vom Knie bis fast zum Becken hoch, die Wange blutete ebenfalls.
    »Ein Straßenkämpfer«, stieß er hervor.
    Djamel half ihm aufzustehen, stützte ihn.
    »Geht schon«, sagte Hamza, und Djamel ließ los.
    Was geschehen war, änderte vieles. Hamza war draußen. Sie mussten jemand anderen für Italien finden. Den Kontakt zu Hamza abbrechen.
    »Das Auto muss weg«, sagte Djamel. »So schnell wie möglich.«
    »Ich sorge für alles.«
    »Wie?«
    Hamza sah ihn an, sagte lange nichts, die Augen plötzlich müde wie am Abend in der Küche.

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