Ein Paradies der Sinne
Firma plant, eine Niederlassung in Seattle zu eröffnen, deshalb wird Harry den größten Teil des Jahres hier in der Nähe von Pudget Sound verbringen. Er wird sich mit dir in Verbindung setzen, um dir sein Beileid auszusprechen. Außerdem wird er dir den Gewinn eines Geschäfts auszahlen, das wir noch gemeinsam in die Wege geleitet hatten. Du wirst einen ziemlich dicken Scheck von ihm bekommen.“
Amy war fassungslos. Mit solch detaillierten Informationen hatte sie nicht einmal im Traum gerechnet. „Harry?“, fragte sie mit schriller Stimme. Sie konnte sich dunkel daran erinnern, dass Tyler einmal von ihm gesprochen hatte.
Tyler nickte. „Wir haben uns durch einen Schüleraustausch kennengelernt. Er hat ein halbes Jahr bei uns gewohnt, dann habe ich sechs Monate mit ihm und seiner Mutter verbracht.“
Richtig, dachte Amy, Harry Griffith. Tylers Mutter Louise hatte des Öfteren von ihm erzählt. „Das ist doch verrückt“, sagte sie. „Ich bin verrückt!“
Wieder lächelte Tyler. „Nein, Schatz. Du bist ein wenig durcheinander, aber keinesfalls verrückt.“
„Ach ja?“ Amy stieß sich vom Waschbecken ab, zwängte sich an Tyler vorbei und blieb neben ihrem Bett stehen. „Und wie kommt es, dass ich jemanden sehe, der seit zwei Jahren tot ist?“
Gequält stöhnte Tyler auf. „Nicht dieses Wort, bitte! – Die Menschen sterben nicht“, erklärte er, „sie machen nur eine gewisse Veränderung durch.“
Seine Worte hatten eine seltsam beruhigende Wirkung auf Amy. Sie holte tief Luft und sagte dann gefasst: „Jedenfalls werde ich nie wieder Wein zum Abendessen trinken.“
Tyler schmunzelte. Als er weitersprach, wurde er jedoch wieder ernst. „Es geht dir recht gut, wenn man bedenkt, was du durchgemacht hast. Du hast dich ausgezeichnet um die Kinder gekümmert und obendrein noch Karriere gemacht, wenn auch auf recht unkonventionelle Weise. Aber auf einem Gebiet hast du es wirklich vermasselt, Mäuschen.“
Amy schluckte heftig gegen die aufkommenden Tränen an. Wie sehr hatte sie sich in den schrecklichen Tagen und Nächten nach Tylers Tod danach gesehnt, den Mann noch einmal zu sehen, den sie mit solcher Hingabe geliebt hatte, seine Stimme noch einmal zu hören … und noch einmal „Mäuschen“ genannt zu werden, obwohl sie es nie mochte, wenn Tyler sie damit neckte.
Sie schluchzte leise, ging wieder ins Bett und wartete darauf, dass Tyler fortfuhr.
„Es gibt Frauen, die sind auch ohne Mann glücklich, denen ein interessanter Job und ein paar Kinder Erfüllung genug sind. Du gehörst aber nicht zu diesen Frauen, Amy, du bist nicht glücklich.“
Amy konnte nicht glauben, was sie da hörte. Kräftig schüttelte sie den Kopf. Mann, wenn mein Unterbewusstsein mir etwas mitzuteilen versucht, geht es wirklich aufs Ganze! dachte sie.
Tyler zuckte mit den Schultern „Tja, und … wie soll ich mich ausdrücken?“, meinte er. „Harry ist genau der Richtige für dich.“
„Du warst der Richtige für mich“, gab Amy zurück, und diesmal ließ sie ihren Tränen freien Lauf.
Tyler trat einen Schritt auf sie zu, als wollte er sie in die Arme nehmen, doch dann blieb er stehen und zuckte bedauernd mit den Schultern. „Das war damals, Mäuschen“, sagte er. Seine Stimme klang rau vor Mitgefühl. „Jetzt ist es Harry. Um genau zu sein: Du wirst ihn heiraten und zwei weitere Kinder bekommen – einen Jungen und ein Mädchen.“
Amy begann zu zittern. Das war ihr zu viel. „Und dieser Typ, dieser Harry, ist mein Ein und Alles, ja?“, fragte sie zynisch. Tylers Weigerung, sie zu berühren, hatte sie verletzt.
„Nun, du hattest ja ausreichend Angebote. Du hast sie nur alle abgewiesen. Zum Beispiel den Architekten der Bungalowsiedlung am Lake Washington, den du anlässlich des Verkaufs der Häuser vor einem Vierteljahr kennengelernt hast. Oder Alex Sinclair, meinen Nachfolger in der Firma.“ Er hielt einen Moment inne und strich sich mit der Hand durchs Haar. „Du machst es mir unnötig schwer, Mäuschen.“
„Oh, entschuldige!“, begehrte Amy unwillkürlich auf und befürchtete im selben Moment, die Kinder zu wecken. Etwas leiser erklärte sie: „Ich habe dich geliebt, Tyler. Du warst mein Leben. Ich kann niemand anders lieben – noch nicht.“
„Doch, das kannst du“, widersprach Tyler, nicht ohne Trauer in der Stimme. „Du musst. The show must go on, Amy. Das Leben auch.“
In dem innigen Verlangen, dieses unwirkliche Gespräch endlich zu beenden, schloss Amy für einen Moment die
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